0639 - Merlins Zauberwald
erledigen.
Oder auch nicht, und einfach nur ein bißchen faulenzen.
Vielleicht hatte er sich jetzt aufgerafft, das Amulett weiter zu untersuchen, um sich ein wenig abzulenken. Zwar machte er Nicole keinen Vorwurf, aber in seinen Gedanken beschäftigte er sich doch immer wieder mit dem, was in Paris geschehen war.
So hatte er sich in das sogenannte ›Zauberzimmer‹ zurückgezogen, jenen großen Raum, der besonders gesichert und für magische Experimente vorgesehen war. Hier gab es allerlei Hilfsmittel und eine Unmenge an Büchern und Folianten, an uralten Handschriften, an Töpfen, Tiegeln und Flaschen mit magischen Substanzen, Pülverchen, Flüssigkeiten; hier gab es praktisch alles, was man brauchte, um all die Dinge zwischen Himmel und Erde auszuloten, die der normale menschliche Verstand nicht erklären kann.
Und nun war Nicole überraschend hier aufgetaucht und hockte sich auf die Tischkante. Ein aufregender, verführerischer Anblick, durchaus geeignet, ihn von seiner Ablenkung abzulenken, weil Nicole mal wieder nur des Kaisers neue Kleider trug. Sie kam, wie sie erklärte, gerade aus dem Fitneßraum, in dem sie sich ein paar sportlichen Übungen hingegeben hatte, und bei denen trug sie grundsätzlich keinen Faden am Leib, weil sie nicht einsah, daß sie zum Durchschwitzen irgendwelche Kleidung anziehen sollte.
»Gerade hatte ich den Raum betreten und wollte anfangen, da hörte ich dich rufen…«
»Unten im Parterre?« Zamorra zog die Brauen hoch. »Selbst wenn ich gerufen hätte, hättest du das nicht hören können ! Dazwischen sind zwei Etagen und eine Menge Meter…«
»Wird mir jetzt auch klar«, gestand sie. »Verflixt, wieso habe ich dich dann aber laut und deutlich rufen gehört? Ich kann das doch nicht geträumt haben! Oder…« Sie drehte den Kopf, sah zum Visofon.
»Das ist abgeschaltet, seit ich hier bin«, erklärte Zamorra. »Ich hatte noch keinen Grund, es zu benutzen, aber über die Anlage hätte ich dich tatsächlich zu erreichen versucht, wenn ich gerufen hätte. Warum sollte ich mir durch halbmeterdicke Wände und Etagenböden die Seele aus dem Leib brüllen…?«
»Stimmt«, erkannte sie, »und du bist sicher, daß du die Anlage nicht zufällig aktiviert und auch wieder abgeschaltet hast?«
Er sah sie nur an.
Abwehrend hob sie beide Hände. »Schon gut, schon gut. War nur eine Sicherheitsfrage…«
Das Visofon war die Bildtelefonanlage, für die es in jedem bewohnten oder benutzten Raum des Châteaus ein Terminal gab. Zentral gesteuert wurde die Anlage von den drei parallel geschalteten Pentiumrechnern in Zamorras Arbeitszimmer.
Über das Bildtelefon war nicht nur eine hausinterne Kommunikation möglich, sondern auch Bildtelefonate nach draußen, wenn der Gesprächspartner ebenfalls über eine ähnliche Einrichtung verfügte, und normale Telefonate, bei denen dann eben der Bildschirm dunkel blieb. Die Anrufe und Durchrufe konnten sowohl über die Tastatur gesteuert werden als auch über Spracherkennung. Zudem konnte zusätzlich zur Telefonfunktion über die Tastatur auch die Datenverarbeitung angezapft werden, dann wurde der Bildschirm zum Computermonitor.
Zamorra war sicher, daß er kein Wort gesagt hatte, das das Visofon über das Spracherkennungsprogramm als Befehl interpretiert haben könnte. Zudem hätte er es mit einem zweiten Befehl wieder ausschalten müssen, und spätestens, daran hätte er sich erinnern müssen.
»Was genau soll ich denn gerufen haben? Den Wortlaut, bitte…«
Nicole zögerte. Über ihrer Nasenwurzel entstand eine steile Falte. »Den Wortlaut… hm… den… Nein, Chef! Da stimmt was nicht. Ich kann mich an den Wortlaut nicht erinnern! Aber ich weiß, daß du mich sehen wolltest, daß ich hierher kommen sollte… nein, warte mal. Ich glaube plötzlich, daß das gerade meine eigene Interpretation war…«
Sie schüttelte den Kopf, streckte die Hand aus und berührte Zamorras Arm. »Chef, es war ähnlich wie bei einer telepathischen Verständigung…!«
Zamorra beugte sich vor.
»Ich habe ganz bestimmt nicht nach dir gerufen, aber ich glaube, ich habe vor ein paar Minuten einmal kurz an dich gedacht und dich mir vorgestellt…«
»So?« Sie grinste jungenhaft, sprang von der Tischkante auf und drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst.
Zamorra grinste zurück. »Wenn ich an dich denke und dich mir vorstelle, dann immer so, weil ich dich anders ja gar nicht kenne!« Damit spielte er auf ihre Angewohnheit an, nicht nur
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