064 - Die Orgie der Teufel
Antiquitätenhändler hatte Dorians letzte Worte überhaupt nicht mehr gehört. Er hatte sich längst abgewandt und folgte bereits den anderen, die von dem Ruf der unheilvollen Stimme angezogen wurden. Laurence Wytton winselte zwar immer noch kläglich vor sich hin, doch es war auch ihm nicht möglich, sich dem fremden Zwang zu entziehen.
Die Irrlichter hatten sich längst schon beruhigt. Sie schwebten als leuchtende Punkte über ihren Köpfen und erfüllten die Höhle mit ihrem schattenlosen Licht.
Dorian konzentrierte sich darauf, sich dem Zwang zu widersetzen. Das gelang ihm immerhin soweit, daß er seinen eigenen Willen behielt und den Gefährten aus freien Stücken folgte.
Er hielt aber einen Abstand ein, um von einer plötzlich auftauchenden Gefahr nicht überrascht zu werden.
Der durchdringende Gesang wurde immer lauter und ging allmählich in ein disharmonisches, kreischendes Gebelle über. Dorian kam diese Stimme bekannt vor. .. Und auf einmal wußte er, wo er sie schon einmal gehört hatte.
Es war auf Athos gewesen, in einem entweihten Kloster, in dem Olivaro die Gefährtin des Dämonenkillers, Coco, hatte zwingen wollen, den Teufelseid zu leisten. Steckte auch hinter dieser dämonischen Intrige Olivaro, der sich als Magus VII. nur allzu kurz der Herrschaft über die Schwarze Familie erfreut hatte, bevor Dorian, der Dämonenkiller, ihn zum Abdanken gezwungen hatte?
Hatte Olivaro das alles nur inszeniert, um seine Rachegelüste zu befriedigen?
Diese schreckliche, markerschütternde Stimme gehörte jedenfalls der Hexe Necato.
Und dann sah er sie auch schon - dieses geschlechtslose bärtige Wesen mit der grauen Echsenhaut, die wie ein zu großes Kleid von ihrem knochigen Körper herabhing. Sie hockte auf einem Felsvorsprung, drei Meter über dem Boden. Vor ihr hing an einer Kette ein riesiger Kessel von gut zwei Metern Durchmesser über einem offenen Feuer.
Während sie ihr unmelodiöses Geschrei ausstieß, warf sie irgendwelche Dinge in den brodelnden Kessel. Dann wieder lachte sie schrill, machte zuckende Bewegungen, sprang blitzschnell auf einen anderen Felsen hinüber, packte etwas, das sich in ihrer Krallenhand wand, und biß ihm den Kopf ab. Es mochte sich um eine Echse, eine Ratte oder um eine Schlange gehandelt haben. Dann riß sie das Maul weit auf und spie den Kopf des Tieres in die brodelnde Brühe.
„Ah, kommt nur näher, meine Tierchen!" rief sie den Neuankömmlingen geifernd entgegen und begann, in ihrem Kessel zu rühren. „Wollt euch wohl von Necato euer Schicksal voraussagen lassen? Also kommt, kommt! Nur nicht schüchtern."
Sie stieß einen langgezogenen Schrei aus und sprang von dem Felsen hinab mitten unter ihre erschrocken zurückweichenden Opfer. Neben Laurence Wytton blieb sie stehen.
„Auch dein Schicksal hat sich längst erfüllt!" schmetterte sie dem zitternden Vertreter ins Gesicht. „Auch du bist ein Todgeweihter - eigentlich schon so gut wie tot. Nur weißt du es noch nicht. Aber gleich sollst du alles erfahren. Ein Schluck vom Trank der Erkenntnis, und du wirst deinen Tod erleben. Und ihr auch. Trinkt. Trinkt!"
Sie sprang vor ihren Opfern hin und her, deutete animierend zum Kessel, verdrehte die Augen und schnitt Grimassen.
Dorian war wie gelähmt. Er war Im Vollbesitz seines Verstandes und hatte seinen eigenen Willen. Dennoch hatte er nicht die Kraft, dem Treiben der Hexe Einhalt zu gebieten. Untätig mußte er zusehen, wie sie Herbert Ohm bei seinem Bart packte und zu dem Hahn zerrte, der in Gesichtshöhe aus dem Kessel ragte.
„Ein einziger Schluck, und du erkennst, wo du auf dem Grat zwischen Leben und Tod stehst", prophezeite die Hexe.
Sie öffnete den Hahn - und ein Strahl dampfender, stinkender Flüssigkeit ergoß sich in Herbert Ohms Mund. Er taumelte mit einem Aufschrei zurück.
„Nein!"
Dorian hatte endlich die Lähmung überwunden und setzte sich in Bewegung. Die Hexe lachte schrill und zerrte nacheinander jedes ihrer Opfer zu dem Hahn, aus dem sich noch immer die Brühe in einem breitgefächerten Strahl ergoß.
Necato klammerte sich gerade auf dem Rücken des sich heftig wehrenden Bhawa fest und trieb ihn wie ein Reittier zum Kessel, als Dorian sie erreichte. Mit einem einzigen Schlag beförderte er sie vom Rücken des Ewe. Sie schlug neben dem Feuer, das ihren Kessel heizte, auf dem Boden auf. Dorian trat zu ihr, um sie in die Flammen zu befördern. Doch sie war schneller. Sie kam behende auf die Beine, griff nach dem Kesselrand und schwang
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