0642 - Horror im Harem
Bauchtanz?«
Jane hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Jedenfalls legte sie ihre Stirn in Falten und machte auf mich den Eindruck einer strengen Lehrerin.«
Glenda winkte ab. »Sie gehört eben einer anderen Generation an. Bauchtanz hat für sie noch immer den Ruf des Unanständigen. Das kennt man ja.«
»Nicht nur für sie«, sagte Jane. »Ich kenne viele jüngere Leute, die ebenfalls so denken. Außerdem hatte sie natürlich Angst, dass man uns eine Falle stellen könnte.«
»Tatsächlich?«
»Du kennst sie doch, Glenda. Lady Sarah ist immer etwas sonderbar.«
»Klar. John sagt das auch immer.«
Jane hängte ihre Tasche über. »Können wir gehen? Bist du fertig und bereit, dir den Bauch zu verrenken?«
»Und ob.«
Beide Frauen stürzten wieder in den Londoner Verkehr, der nicht ruhiger geworden war. Ein wilder, wirrer Ameisenhaufen aus vierrädrigen und zweirädrigen Fahrzeugen, die versuchten, sich ständig zu bewegen und doch durch Ampeln oder kleine Verkehrsstaus immer wieder gezwungen wurden, einen Stopp einzulegen.
Über die Edgeware Road gelangten sie nach Paddington. Die City lag hinter ihnen, jetzt hielt sich auch der Verkehr in Grenzen. Nur in den schmalen Nebenstraßen des Stadtteils ballten sich noch die Blechschlangen.
Das Wetter hatte gewechselt. Die Hitze der letzten Tage war verschwunden. Der Juni kam mit kühlen Temperaturen, Regen und mit grauen Wolken, die wie große Bleiklumpen über London schwebten. Vor Mitternacht sollte es einen Wolkenbruch geben.
Beide Frauen unterhielten sich während der Fahrt. Jane sprach von ihrem letzten Fall, den sie gemeinsam mit John Sinclair erlebt hatte, als sie in Germany in das Hexenmuseum geraten war und dort nackt in die Hölle hatte schreiten sollen.
»Was war das für ein Gefühl?«, fragte Glenda.
»Ein schlimmes, kaum zu erklären. Mir läuft jetzt noch der Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke.«
»Das kann ich verstehen.«
Die Detektivin deutete auf das Handschuhfach. »Ich bin zwar in London geboren und kenne mich relativ gut aus, aber du könntest trotzdem auf die Karte schauen, wo wir genau hinmüssen.«
»Nicht bis zum Bahnhof.«
»Stimmt.«
Glenda holte die Karte hervor, faltete sie auseinander und schaute nach. Sie fuhr mit dem Finger über das Papier, während sie die Adresse vor sich hinmurmelte.
In Paddington gab es zahlreiche kleine Straßen, auch viele Grünflächen und große, bebaute Gebiete.
Die Häuser zählten nicht zu den Neuesten, sie waren schon viele Jahrzehnte alt. Manche Fassaden verrieten noch viel ältere Baustile. Es gab gepflegte und ungepflegte Häuser. Es war eben ein Unterschied, wer wo wohnte und wie viel Geld er hatte. Jane fuhr sehr langsam, nachdem sie von Glenda zu einer bestimmten Straße dirigiert worden war. Der kleine Golf rollte hindurch. Glenda konzentrierte sich auf die Hausnummern, die hin und wieder gegen die Wände gepinselt worden waren, und warnte Jane vor. »Noch drei Hausnummern, dann müssten wir am Ziel sein.«
»Keine vertrauenerweckende Gegend.«
»Du sagst es.«
Die Bewohner bildeten, wenn sie zusammenstanden, eine stumme, den zwei Frauen irgendwie drohend vorkommende Masse. Wer hier lebte, gehörte nicht zu den Reichen, und im Schatten des Bahnhofs oder der Gleise waren Tag und Nacht die Züge zu hören, die durch den Londoner Vorort rollten.
»Halte an!«
Jane ließ den Golf ausrollen. Von einer Bauchtanzschule war zwar nicht viel zu sehen, aber die angegebene Adresse stimmte. Es war das Haus mit der Nummer 48.
Sie mussten einen Parkplatz finden, was sehr schwer war. Am Gehsteig gab es keine Lücke, auch ein Schild auf die Bauchtanzschule entdeckten sie nicht.
Jane hatte neben der Wagenreihe gestoppt. »Frag doch mal einen, wo wir hin müssen.«
Glenda stieg aus. Sie sprach eine ältere Frau an, die zuerst misstrauisch war, dann lächelte und wieder misstrauisch wurde, als Glenda ihre Frage stellte.
»Zu diesen Orientalen wollen Sie?«
»Ja.«
»Und was wollen Sie da, junge Frau?«
Das ging die Tante zwar nichts an, aber Glenda erklärte es ihr trotzdem. »Meine Freundin und ich wollen uns einmal im Bauchtanz versuchen, wenn Sie verstehen.«
»Ach, diese Verrenkungen.«
»Genau die.«
Die Frau winkte ab. »Das ist doch nichts für normale junge Menschen. Da kann man nur den Kopf schütteln, wirklich. Ich an Ihrer Stelle würde mir das überlegen.«
»Wir wollen nur mal schnuppern.«
»Ja, dann schnuppern Sie. Die Schule finden Sie auf einem Hof. Sie
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