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0643 - Schlangenträume

0643 - Schlangenträume

Titel: 0643 - Schlangenträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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aus und äußerte den Verdacht, daß hinter dieser Affäre eigentlich der Vizepräsident stecke, der wenigstens für ein paar Monate noch selbst Präsident werden wollte und auf diese Weise heimlich an Clintons Stuhl säge. Nicole ließ diese Verschwörungstheorie an sich vorbeiziehen, hörte einfach nicht hin und beschloß, in High Springs ein anderes Taxi zu bestellen - eines mit einem weniger geschwätzigen Fahrer. Insgeheim hoffte sie allerdings, daß es dort einen Autovermieter gab.
    Sie wurde enttäuscht; der Ort war viel kleiner, als sie gedacht hatte; stolz präsentierte sich das Ortsschild mit dem Hinweis auf die Einwohnerzahl, welche bei knapp über 3000 Seelen lag. Da gab es nicht einmal eine Imbißstube, sondern nur ein halbes Dutzend breiter Straßen mit ein paar Häusern von klein und billig bis groß und protzig. Immerhin gab es einen öffentlichen Fernsprecher.
    Vor O’Donaghues Haus stand sein Auto, und vor dem Auto standen seine Nachbarn. Sie redeten wild aufeinander ein; eine dezent gekleidete Frau um die 50 stand kopfschüttelnd daneben und starrte nur das Auto an.
    Irgend etwas warnte Nicole, das Taxi mit dem lästigen Fahrer gleich fortzuschicken. Sie stieg nur aus und näherte sich der Menschentraube. Sie hatte sie noch nicht ganz erreicht, da wußte sie bereits aus den lautstark geführten Gesprächen, daß es sich bei der einzeln stehenden Frau um O’Donaghues Gemahlin handelte, und daß O’Donaghue offenbar von einem Fremden entführt worden war. Der hatte einen Mercedes, einen Cadillac, einen Oldsmobile, einen Volvo, einen VW Rabbit oder auch einen Lastwagen gefahren; jeder schwor Stein und Bein, daß das Fahrzeug, das er gesehen zu haben glaubte, das richtige sei. Auch was das Kennzeichen anging, wichen die Schilderungen voneinander ab. Einer behauptete sogar, es sei ein kanadisches Kennzeichen. Und auch bezüglich der Farbe wurde die ganze bunte Palette genannt.
    Eine Beschreibung des Mannes, der den Staatsanwalt entführt hatte? Nun ja, er war klein, groß, dick und dünn, glattrasiert und bärtig, trug einen Anzug und Jeans…
    »Ist eigentlich schon mal jemand auf die Idee gekommen, die Polizei zu informieren?« fragte Nicole vorsichtig.
    »Das kann auch nur eine Fremde fragen!« wurde ihr sofort vorgehalten. »Polizei? Bis die herkommt und alle Spuren verwischt und zertrampelt, vergehen doch Monate! No, Miss, das regeln wir selbst. Wir jagen dem Bastard nach und befreien Mister Donougt. Wir lassen doch unsere Nachbarn nicht im Stich!«
    Nicole war nicht sicher, ob sie bei der Namensnennung einem Hörfehler unterlegen war, oder ob der Sprecher wirklich nicht wußte, wie das Entführungsopfer hieß. Aufgrund Mrs. O’Donaghues resignierenden Blickes ging sie von letzterem aus.
    Inzwischen tauchten noch ein paar weitere Männer auf, von denen einige Gewehre bei sich trugen. Ein anderer rollte mit einem Dodge-Pickup an und wies nach hinten auf die Ladepritsche. »Aufsitzen, Männer!« rief er. »Diesen Kidnapper schnappen wir uns jetzt!«
    Dann konnten sich die Zeugen erst einmal nicht darüber einigen, in welche Richtung Entführer und Opfer gefahren waren. Schließlich führten von High Springs aus insgesamt sechs Straßen in alle Himmelsrichtungen.
    Auf Nicole, die ihre Fransenjacke vorsichtshalber geschlossen hatte, achtete schon niemand mehr.
    »Und was haben Sie beobachtet, Missis O’Donaghue?« erkundigte sie sich bei der Frau, die durch ihre ganze Körperhaltung Fassungslosigkeit signalisierte.
    »Nichts«, seufzte die Lady. »Ich sah zufällig zur Straße, und da stand der Wagen mit offener Tür und laufendem Motor, und mein Mann war nirgendwo zu sehen. Dann kamen die da«, sie deutete auf die hilfswütige Nachbarschaft, »und sagten, er wäre erschossen worden. Dann sagten sie, er wäre entführt worden. Ich weiß nicht mehr, was ich denken und glauben soll.«
    »Rufen Sie die Polizei«, verlangte Nicole.
    »Das soll ich doch nicht tun! Das wollen die da doch regeln!«
    »Verlassen Sie sich lieber nicht darauf, daß es funktioniert«, warnte Nicole. »Vermutlich schießen die sich selbst in den großen Zeh, noch während sie losfahren.«
    Wie um ihre Befürchtung zu bestätigen, fiel im gleichen Moment ein Schuß. Jemand schrie wütend auf. Eine Flut von gegenseitigen Beschimpfungen folgte; offenbar aber waren große Zehen und andere Extremitäten von der Gewehrkugel weiträumig verfehlt worden.
    Nicole sah zu ihrem Taxi hinüber. Sie registrierte, daß der Fahrer in sein

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