0645 - Die Catron-Ader
Blinkende Kontrollampen zeigten die einzelnen Krisenheide an, und ihre Farbe gab über die Art der Krise Aufschluß: gelbliches Rot stand für Vulkanausbrüche, Blau für Überflutungen.-Die Zahl der blinkenden Lämpchen war beeindruckend. Es gab auf ganz Yaanzar keine Gebiete von nennenswerter Größe mehr, in denen die Natur nicht auf die eine oder andere Weise in Aufruhr geraten war.
Mitten auf einem großen Tisch erhob sich ein Modell des Yaanzardoscht. Dort, wo das energetische Kuppelfeld entstanden war, wölbte sich über den Gebäuden des Modells eine Halbkugel aus durchsichtigem Plastikmaterial. Auf das rätselhafte Energiefeld kam die Sprache zuerst, nachdem die Begrüßungszeremonie infolge des Ernstes der Lage in aller Eile abgewickelt worden war.
„Wir kennen die Herkunft des Feldschirms nicht", erklärte der Tschatro. „Wir wissen nicht, wer ihn angelegt hat und welchem Zweck er dient. Aber wir haben festgestellt, daß die energetische Hülle, wenn sie mit Gebäudewänden oder sonstigen Dingen in Berührung kommt, erhebliche Verwüstungen anrichtet." Er deutete auf den Kubus des Rechenzentrums. „Der Schirm streifte eine der Kanten dieses Würfels. Die Kante löste sich einfach auf und verschwand." Er deutete auf ein weiteres Gebäude. „Dieser Bau gehört zur Tschatro-Bank. Das Feld geht mitten hindurch.
Das Gebäude stürzte einfach zusammen."
„,Besteht Verbindung mit den Leuten, die innerhalb des Schirms eingeschlossen sind?"
„Nein, keine. Eben darum haben wir noch immer keine Ahnung, was sich im Innern des Schirms eigentlich abspielt."
„Nichts spielt sich ab", erklärte Torytrae, der bislang geschwiegen hatte, im Ton fester Überzeugung.
Aller augen wandten sich zu ihm.
„Woher wissen Sie das?" fragte der Tschatro überrascht.
„Das will ich Ihnen gerne erklären", antwortete der Tuuhrt.
„Wo etwa liegt der geometrische Mittelpunkt des Schirmfelds?"
Der Tschatro deutete auf eigen Ort, der halbwegs zwischen einem Gebäude der Tschatro-Bank und dem Würfel des Rechenzentrums lag.
„Was befindet sich dort?" wollte Torytrae wissen.
„Ein Hof."
„Irgendein Hof? Oder hat dieser Hof eine Besonderheit?"
„Wir haben dort ein Kuriosum ausgestellt", erklärte der Tschatro bereitwillig. „Achtzehn steinerne Gehirne von erstaunlichem Volumen. Woher sie kommen, wissen wir nicht. Nur, daß sie ungeheuer alt sein müssen. Wie sie in den Besitz der Bank gelangt sind, ist ebenfalls ein Geheimnis."
„Wie die Bank sie erworben hat, das allerdings kann auch ich Ihnen nicht erklären", sagte Torytrae. „Aber woher die Gehirne kommen, darüber kann ich Ihnen Auskunft geben. Nicht wahr, Sie halten die Gehirne für tot?"
„Absolut", antwortete der Tschatro verblüfft.
„Das sind sie nicht. Sie befinden sich in einem Zustand vorübergehender Starre. Aber die Lebensfähigkeit wohnt noch in ihnen, und wenn Sie Gelegenheit hätten, sie in diesem Augenblick zu sehen, dann würden Sie feststellen, daß sie längst nicht mehr steinern sind, sondern aus normaler Gehirnmaterie bestehen und vor lauter innerem Leben pulsieren und zittern."
Er kehrte sich nicht an dem ungläubigen Staunen des Tschatro und seiner Transplan-Regulatoren, sondern fuhr fort: „Nach unseren Erlebnissen in der Galacis Catron kann kein Zweifel mehr bestehen, daß es sich bei den Gehirnen um Organe handelt, die einst in den Schädelhöhlungen von Mitgliedern des Sternenvolkes der Pehrtus ruhten. Von den Pehrtus ist hierzulande heutigen tags nicht einmal der Name mehr bekannt.
Vor ungefähr zweihunderttausend Jahren jedoch gab es zwischen den Pehrtus und den Yulocs, die damals die Galaxis Naupaum beherrschten, einen erbitterten Krieg, in dem Raumschlachten weniger eine Rolle spielten als Agenten, die hinter dem Rücken des Gegners arbeiteten, und heimtückische Angriffe auf die Lebensgewohnheiten und die Umwelt des Feindes.
Ich zweifle nicht daran, daß die achtzehn steinernen Gehirne, um die es hier geht, als pehrtussche Agenten auf Yaanzar abgesetzt wurden. Die Pehrtus hatten inzwischen einen langfristigen Offensivplan entwickelt, der der Überwachung bedurfte. Solange alles normal verlief, befanden sich die Gehirne in einem Trancezustand, der sich nach außen hin als Versteinerung des Kortex zu erkennen gab. Ich nehme an, daß die Gehirne in gewissen Abständen jeweils für kurze Zeit wieder zum Leben erwachen, und sei es nur, um ihre Lebensfähigkeit zu exerzieren. Für den Notfall existiert eine Art Alarmsystem,
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