Verlockendes Dunkel
Kapitel Eins
Cornwall,
April 1816
K önig Artus’ Grab lag tief in einem uralten Wald versteckt. Seit unzähligen Jahrhunderten breiteten die Bäume darüber schützend ihre Äste aus, erneuerten sich und verrotteten. Inzwischen war kaum noch ein Stein geblieben, der auf das Vorhandensein der Grabstätte hingedeutet hätte.
Eine Hand auf die Schulter seines Gehilfen, die andere auf seinen Stock gestützt, hinkte Máelodor die letzten Meter durch das dichte Unterholz, um vor der eingestürzten Grabstätte stehen zu bleiben. Allein die Anstrengung, von der Kutsche bis hierher zu gehen, hatte ihn sehr viel Kraft gekostet. Das Hemd klebte unangenehm feucht an seinem gebeugten Rücken, ein Beinstumpf rieb sich an seiner Prothese, und Blutstropfen durchdrangen seine Hose. Jeder rasselnde Atemzug brannte in seiner müden Lunge.
»Das ist es«, keuchte er, den Blick auf die moosbewachsenen Grabplatten gerichtet. »Ich fühle es.«
Er war sich so sicher, dass er sich nicht einmal damit aufhielt, sich Gewissheit zu verschaffen. Wozu auch? Sowie der Rywlkoth-Wandteppich, den Máelodor den Schwestern des Hohen Danu gestohlen hatte, entschlüsselt worden war, war er aufschlussreich genug gewesen. Die darauf gefundenen Hinweise hatten ihn mit untrüglicher Sicherheit zu diesem vergessenen Wäldchen in Cornwall und zu diesem Grab geführt.
Erregung zischelte über seine beschädigten Nerven und lahmen Glieder, Verletzungen, die alle Folgen seines unerbittlichen Strebens waren. Die Ziele der Neun waren wagemutig gewesen, oh ja, doch schon lange, bevor die Amhas-draoi , die Soldaten der Kriegsgöttin Scathach und Hüter der Trennung zwischen Sterblichen und Magiern, wie ein wütender Krähenschwarm über den Kreis der Neun hereingebrochen waren, hatte Máelodor gewusst, was nötig war, um Erfolg zu haben: Einem einzelnen Mann musste Autorität verliehen werden – einem Meistermagier, der bereit war, alles zu opfern und sich nicht von Gefühlsduseleien beeinflussen zu lassen. Alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um ein neues Zeitalter der Vorherrschaft der Anderen herbeizuführen.
Und dieser Mann war er.
Während er seine fortgesetzte Existenz, von der kein Anderer etwas wissen durfte, unter einem Tarnzauber der Unsichtbaren verbarg, hatte er von ihren dunklen Kräften Gebrauch gemacht, um Leben neu zu erschaffen, und einen uralten walisischen Krieger als Domnuathi wiederauferstehen lassen. Als einen Soldaten von Domnu, der seinem Meister hörig und erfüllt von all den finsteren Kräften war, die seine Wiedergeburt bewirkt hatten.
Dieser erste Versuch war jedoch gescheitert, weil die Kreatur sich Máelodors Kontrolle entzogen hatte.
Doch der Meistermagier hatte aus seinen Fehlern gelernt. Ein zweites Mal würde das nicht passieren. War Artus erst einmal wiedergeboren, würde der auferstandene Hochkönig dem Mann dienen, der ihm sein Leben und seine Krone wiedergegeben hatte. Er würde dem Magier gehorchen, der ein Heer von Unsichtbaren -Dämonen hervorbrachte, die für seine Sache kämpfen würden. Und er würde seinen Herrn fürchten, wie es sich für einen Sklaven gehörte.
In der feuchten grünen Luft flirrte Magie, die jeder, der zufällig in diesen Teil des Waldes kam, mit Staubgeflimmer im Sonnenlicht verwechseln würde. Máelodor genoss das Spiel dieser Energie auf seiner Haut, bevor sie in seinen Blutstrom eindrang und sich mit seinen eigenen magischen Kräften vermischte. So machtvoll war der Rausch, der sich in ihm verbindenden Magie, dass eine prickelnde Erregung ihn erfasste. Die gleiche unkontrollierte Erregung, die er gewöhnlich im Schlafzimmer oder in der Folterkammer suchte.
Máelodors Hand krallte sich in die Schulter seines Begleiters, bis er dessen Knochen unter seinem Griff nachgeben fühlte. Der Mann schrie jedoch bei dieser brutalen Behandlung weder auf noch zuckte er zusammen. Oss war ebenso sehr seiner rohen Kraft wie seiner geschlitzten Zunge wegen erwählt worden, die ihm das Sprechen unmöglich machte. Máelodors Körper zuckte und erschauerte, als er von Wogen purer Lust durchflutet wurde. Und schließlich war er es, der auf dem Höhepunkt seiner Ekstase stöhnte und einen rauen Schrei ausstieß.
Befriedigt winkte er Oss weiter und bewegte sich mit ihm im Schneckentempo über den unebenen Boden, bis er am Rand des umgekippten Grabsteins stand, nahe genug, um seine Hand auf den Granit zu legen. Die Magie loderte auf und ließ ihn schwanken, als sie diesen Eindringling zu verstehen versuchte
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