0646 - Der Templer-Jäger
Schnitzwerk. Da mussten schon Generationen von Polizisten ihren Frust abgelassen haben.
Akten lagen vor ihm. Er schlug mit der flachen Hand darauf. »Wollen Sie die lesen?«
»Bestimmt nicht.«
Der Kollege nickte. »Habe ich mir gedacht. Sie sind keine Aktentypen.« Er griff zur nächsten Schwarzen, pustete den Rauch gegen den Ventilator und grinste schief. »Gehört haben wir hier in Paris schon von euch. So manches Mal habt ihr eure Spuren hinterlassen. Hat dieser neue Fall denn was mit den anderen zu tun?«
»Höchstens indirekt«, sagte Suko.
»Wie das?«
»Templer.«
Der Kommissar nahm seine Schwarze aus dem Mund und schaute gegen die Glut. »Dagegen bin ich allergisch.«
»Weshalb?«
»Weiß ich auch nicht. Ich mag sie einfach nicht. Aber das ist Privatsache.«
Die Tür wurde von einem jungen Mädchen aufgestoßen. Es war schlank, miniberockt und dekolletiert, dass einem der Atem wegblieb. Das schwarze Haar hatte sie hochgesteckt.
»Der Kaffee.«
Sie stellte das Tablett ab. Ich schaute in die Tassen und in den Ausschnitt zugleich. Das ergab sich zwangsläufig.
Balmain räusperte sich. »Wenn Sie es genau wissen wollen, Kollege, Monique ist nahtlos braun.«
Die Kleine richtete sich wieder auf. »Aber Kommissar, woher wollen Sie das wissen?«
»Dafür habe ich einen Blick.«
»Dann blicken Sie mal weiter.« Sie verschwand mit wackelndem Hinterteil. Der Kaffee sah aus wie Gift. Ich probierte ihn und verzog den Mund.
»Zu stark?«
»Und wie.«
Balmain hob die Schultern. »Das ist hier so üblich.« Er schlürfte ihn. Suko rührte seine Tasse nicht an.
Balmain kam auf den Fall zu sprechen. Auf der Fahrt hatte er uns schon informiert, er wusste jetzt auch über Hoffmann Bescheid, hatte es allerdings abgelehnt, eine Fahndung nach ihm einzuleiten, denn in Paris liefen derartig viele schräge Typen herum, dass Hoffmann zwischen all den bunten Vögeln nicht auffallen würde.
»Welche Spur gibt es sonst noch?«
Der Kommissar schaute mich aus halb gesenkten Augenlidern her an. »Der Tote.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ersparen Sie mir seinen Anblick…«
»Das meine ich nicht. Ich halte sein ehemaliges Leben für interessant und habe auch Nachforschungen angestellt.« Er blätterte in den Akten. Dabei leckte er vor dem Umblättern stets über seine nikotingelbe Zeigefingerspitze. »Der war tatsächlich Wissenschaftler.«
»An der Sorbonne?«
»Nein, Sinclair, nicht an der Uni. Ein Privatgelehrter, der in einem Hochhaus im Norden der Stadt lebte. Zwei Zimmer, klein, vollgestopft mit Büchern. Wir haben uns dort lange genug umgeschaut und nichts gefunden. Es muss ihn erwischt haben wie der Schlag aus heiterem Himmel. Ich sehe noch kein Motiv.«
»Er war Templer«, warf Suko ein. »Das sollten Sie nicht vergessen, Kommissar.«
»Ja, stimmt.« Balmain winkte ab. »Schon wieder dieser Ärger mit der Gruppe.«
»Kennen Sie denn noch mehr Templer?«
Balmain schnaubte, bevor er den Zigarettenstummel in den übervollen Ascher stampfte. »So fragt man Leute aus.«
»Ich wollte nur eine Antwort.«
Der Kommissar nickte. »Ich weiß nicht, ob Sie sich in der Stadt gut auskennen, aber mitten im Herzen von Paris gibt es einen Trödlermarkt, ein bestimmtes Viertel, das den Namen Carreau du Temple trägt. Den Grund für diesen Namen kennt heute kaum jemand. Er muss mit der damaligen Templer-Vernichtung zu tun gehabt haben, als auf der Ile de la Cité die Anführer umkamen.«
»Paris war ein Hauptquartier des Ordens.«
»Sie wissen Bescheid.«
»Das bringt der Job mit sich.«
Balmain nickte. »Glaube ich auch, Kollege. Ich glaube Ihnen alles, aber ich habe mich auch nicht auf die faule Haut gelegt, sondern einige Nachforschungen angestellt.«
»Welcher Art?«
»Man kannte Stefan Audrin.«
»Wo, auf dem Trödelmarkt?«
»Ja, wir haben uns dort erkundigt. Er war ein Mensch, der nach Büchern suchte, nach alten Schriften, nach Überbleibseln aus der Hochblüte des Ordens.«
»Wie war er bei den Leuten angesehen?«
Balmain hob die Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Die Trödler sind ein Volk für sich. Audrin wurde akzeptiert. Man sah in ihm den verschrobenen Historiker mit zwei linken Händen, der sich nur für seine Bücher und Forschungen interessierte.«
»Hat er denn was gefunden?«
»Da bin ich überfragt, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. So tief sind auch unsere Befragungen nicht gedrungen.« Er legte die Hände übereinander. »Wissen Sie, dieser Tat stehe ich irgendwo
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