0647 - Die Haut des Vampirs
Asema, der ziemlich weit vorne stand.
»Es sind einige Menschen auf dem Weg hierher. Das habe ich von unseren Verbündeten erfahren. Ein Mann und zwei Frauen. Und noch ein Mann und eine Frau und ein Drache. Wir werden sie vernichten!«
Die Asemas schwiegen erleichtert. Vor Menschen hatten sie keine Furcht. Und vor Drachen? Schlimmer als ihr natürlicher Feind konnten diese Ungeheuer auch nicht sein…
»Und wer - wer sind unsere Verbündeten, Meister?« fragte einer der hautlosen Vampire.
Mazku nickte ihm zu. »Sie gehören zu einer Rasse, die nicht von dieser Welt ist. Sie nennen sich selbst die MÄCHTIGEN.«
***
»Ein Hindu-Tempel in Südamerika«, sagte Nicole Duval, »das nenne ich Multikulti!«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Die indische Religion spielt eine wichtige Rolle in Surinam.«
Fooly blickte sich suchend um. »Aber wo sind die Fakire auf ihren Nagelbrettern? Und die Schlangenbeschwörer mit ihren Kobras?«
»Von Kobras habe ich erstmal genug«, sagte Nicole, während sie an das Abenteuer mit den Ssacah-Dienern zurückdachte. [1]
Der Professor, seine Sekretärin und der kleine Drache betraten den weitläufigen Tempelraum. Vor dem Eingang vegetierten Bettler vor sich hin. Zamorra verteilte einige Münzen unter ihnen.
Innerhalb des Bauwerks war es etwas kühler als draußen in der drückenden Tropenluft. Der starke Duft hunderter von Räucherstäbchen durchzog den Hindu-Tempel. Die Wände waren bedeckt von bunten Malereien aus der indischen Götterwelt. An der Schmalseite zum Innenhof hin befand sich eine Statue.
»Was ist das denn?« fragte Fooly neugierig und deutete auf die Plastik. »Werden hier Drachen angebetet?« Man hörte seinem Tonfall an, daß er das für eine ziemlich gute Idee hielt.
Aber der Professor schüttelte den Kopf.
»Das ist Shesha, die Seeschlange mit den tausend Kobraköpfen, Fooly. Siehst du den Gott, der auf ihr ruht? Das ist Vishnu, eine der höchsten Erscheinungen der Hindu-Religion. Eine Lotusblume sprießt aus seinem Nabel. Darauf sitzt Brahma, ein weiterer Gott.«
»Und beide strecken sich auf der Schlange aus!« meinte Fooly zufrieden. »Ohne uns Reptilien geht eben nichts!«
Ein leises Lachen drang aus dem hinteren Teil des Tempels, der im Dämmerlicht lag. Ein kleiner Priester näherte sich mit würdevollen Schritten. Er war in ein helles Gewand gehüllt. Auf seiner Stirn waren farbige Striche aufgemalt. Er lächelte den Besuchern zu.
Zamorra fand, daß er eine gewisse Ähnlichkeit mit Mahatma Gandhi hatte, dem Gründer des unabhängigen Indien.
»Seid ihr Touristen?« Der Priester sprach Englisch mit einem harten holländischen Akzent. Niederländisch ist immer noch die offizielle Amtssprache in Surinam.
»Nicht direkt«, erwiderte der französische Parapsychologe ausweichend. »Wir suchen einen Mann, den Sie vielleicht kennen könnten…«
Der Inder deutete auf einige Meditationskissen, die in einer Ecke lagen. Zamorra, Nicole, Fooly und er selbst nahmen Platz.
»Erzählen Sie!« forderte der Priester mit einem sanften Lächeln auf.
Nachdenklich betrachtete er Fooly. Er schien nicht ganz sicher zu sein, was er von dem Jungdrachen halten sollte - Maske oder Erscheinung…? Aber er schwieg dazu.
Nicole berichtete von der Begegnung mit dem geheimnisvollen Fremden in der Nähe von Château Montagne. Sie beschönigte auch nicht seinen unerwarteten Flammentod. Der Mann in dem Gewand nahm die Neuigkeit mit unbewegtem Gesicht auf. Schließlich erwähnte sie, wie abweisend die Leute in Paramaribo auf die Fragen nach dem Schmuckstück reagiert hatten.
Der Priester nickte wissend. »Böse Dinge passieren, meine Tochter. Es ist gut, daß ihr zu mir gekommen seid.«
Zamorra bemerkte, daß der alte Mann keine Furcht zeigte. Ein gutes Zeichen. Plötzlich war es, als ob das Gandhi-Double seine Gedanken gelesen hätte.
»Wovor sollte ich Angst haben, mein Sohn? Vor dem Tod? Oder vor Alter oder Krankheit? Wie kann ich etwas fürchten, was unausweichlich ist? Bettler oder König - jeder wird geboren und stirbt dann nach einigen Jahrzehnten. Wieder und wieder und wieder und wieder. So war es seit anfangsloser Zeit. Und so wird es immer sein.«
Zamorra nickte. Das Rad der Wiedergeburt. Aber im Moment interessierte ihn mehr das Schicksal des Fremden, der ein Raub höllischer Flammen geworden war.
»Dieser Mann«, der Priester kehrte zu dem Geheimnis zurück, »trug er ein Schmuckstück, das zwei Vögel darstellt? Einen Hahn und einen Pfau?«
Nicole Duval
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