0647 - Hexenzauber
Mann musste eine furchtbare Nachricht erhalten haben.
»Was ist los, Herr Petersen?«
Er hörte nicht auf mich, drehte sich auf der Stelle um und griff nach einer Flasche Korn. Als er den Verschluss nach dem zweiten Versuch aufgedreht hatte, zitterten seine Hände derart stark, dass er ihn fallen ließ und mit dem Fuß zerquetschte.
Dann setzte er die Flasche an. Er konnte nicht richtig trinken. Ein Teil des Schnaps rann aus seinen Mundwinkeln.
Für meinen Geschmack nahm er einen zu langen Zug, aber ich war nicht sein Kindermädchen. Als er die Flasche absetzte und sich wieder umdrehte, sahen seine Augen blutunterlaufen aus.
Er stierte uns an, stand nach vorn gebeugt da und holte hastig und ächzend Luft.
»Was ist denn los, Herr Petersen?«
Plötzlich begann er zu weinen. Suko musste auf die Antwort warten. Als wir sie dann bekamen, traf sie uns wie ein Schlag ins Genick. »Hauptwachtmeister Strenger ist tot«, röchelte er. »Er ist tot - sie - sie - haben ihn gefunden. Und sein Kopf…«, jetzt redete er stotternd wie ein Automat, »war nach hinten gedreht…«
***
Wir sagten nichts. Suko stand bewegungslos, beinahe wie ich. Bei mir schlossen sich die Hände allerdings zu Fäusten.
Strengers Kopf war nach hinten gedreht worden! Das kannten wir von London her, das hatten wir schon einmal gehabt. Als Suko ein zischendes Geräusch ausstieß, griff ich zu den Zigaretten und klemmte mir ein Stäbchen zwischen die Lippen. Beim Feuergeben zitterten meine Hände, der Schweiß rann mir in die Augen.
»Wo passierte es?«, fragte ich, während ich den Schweiß wegwischte.
Petersen war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Er saß zusammengesunken auf seinem Hocker hinter der Theke. Seine Schultern bebten. Dann redete er doch.
»Es ist auf dem Weg zum Dorf gewesen. In der Heide, er hat eine Abkürzung genommen. Kinder fanden ihn…«
Suko stieß mich an. »Wir sollten uns die Stelle mal genauer anschauen, Alter.«
»Und dann?«
»Spuren, Hinweise…«
Ich hob die Schultern. »Okay, Suko, du kannst hinfahren. Die Stelle wirst du bestimmt finden.«
»Was ist mit dir?«
»Ich möchte mich mit einer Person unterhalten, die Ute Bergmann heißt. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass sie einiges über die Fälle weiß.«
Suko schaute mich an. Er kannte mich. Also wusste er auch, dass er mich von einem Entschluss kaum abbringen konnte. »Gut, aber gib Acht.«
»Geht klar.«
Der Inspektor eilte aus der Gaststube. Wenig später hörte ich, wie unser Leih-BMW ansprang.
Jens Petersen saß noch immer wie ein Häufchen Elend hinter der Theke. Es hatte ihn hart erwischt, die Nachricht war für ihn furchtbar gewesen. Leider konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen. Ich musste ihn stören, und er reagierte erst nach dem dritten Ansprechen.
»Welche Zimmernummer hat Ute Bergmann?«
»Acht.«
»Erste Etage?«
»Ja.«
»Danke.« Ich drehte mich vom Hocker, wollte gehen und sah die Gäste hereinkommen. Die Gesellschaft draußen hatte ihre Plätze verlassen. Sich unterhaltend betraten sie den Gastraum. Ich entnahm den Gesprächen, dass sie sich in ihren Zimmern zur Ruhe legen wollten, bevor die Dämmerung begann.
Mein Blick streifte ihre Gesichter. Wussten die Menschen etwas von der Tat?
Ich glaubte nicht daran, denn sie hätten sich sonst nicht so normal verhalten. Wer einen Mord auf dem Gewissen hatte und nicht ganz abgebrüht war, der konnte nicht dermaßen schauspielern.
Auch den anderen Gästen fiel der Zustand des Besitzers auf. Auf Fragen erhielten sie keine Antworten. Jens Petersen reichte ihnen nur schweigend die Schlüssel.
Bevor die Leute oben in die Flure schwärmten, wollte ich das Zimmer betreten haben.
Die Nummer acht lag hinten im Gang. Ich bewegte mich vorbei an einem Heiligenbild und blieb vor der Zimmertür stehen. Als ich mein Ohr gegen das Holz drückte, war nichts zu hören. Es war zwar unhöflich in Anbetracht der Dinge, jedoch verzichtete ich auf ein Klopfen und drückte die Tür einfach auf.
Das Zimmer war so groß wie meines, ebenso eingerichtet - und leer. Keine Spur von Ute Bergmann.
Aber ich hörte ein bekanntes Rauschen. Sie musste unter der Dusche stehen. Vom Gang her klangen Stimmen herüber. Sehr schnell drückte ich die Tür wieder zu, ging einige Schritte vor und überlegte, wie ich mich bemerkbar machen wollte.
Etwas Verdächtiges allerdings sah ich nicht. Diese Ute Bergmann schien ein völlig normales Leben zu führen, sie duschte, sie…
»Kommen Sie ruhig
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