0647 - Hexenzauber
nichts herausgefunden. Es gab keine Spuren von den Vermissten. Man hat nicht einmal einen alten Schuh gefunden. Nichts, gar nichts. Es scheint, als wären sie vom Erdboden verschluckt worden.«
»Das ist seltsam.«
»Und ob«, gab der Wirt mir Recht. »Ich habe auch schon mit Hauptwachtmeister Strenger darüber gesprochen. Er war heute noch hier. Der Mann hat es nicht leicht, weil er von seiner vorgesetzten Behörde Druck bekommt. Er fährt durch die Gegend und sucht. Irgendetwas muss er ja tun, denn das Verschwinden der Männer hat Kreise gezogen.«
»Das glaube ich auch.«
Suko drehte seinen Krug auf der blanken Theke. »Haben Sie sich irgendetwas dabei gedacht?«
»Ja und nein.«
»Was heißt das?«
Petersen legte seine Stirn in Falten. »Hören Sie mal, Sie fragen, als wären Sie von der Zeitung.«
»Keine Sorge«, sagte Suko schnell, »das sind wir nicht. Es ist die einfache Neugierde.«
»Okay, lassen wir das. Ich gehe davon aus, dass die drei weggelaufen sind. Die hatten es satt.«
»Ohne Motiv?«
»Können Sie denn hinter die Stirn eines Menschen schauen?« Petersen schüttelte den Kopf. »Ich schaffe das nicht. Man glaubt die Leute zu kennen und erlebt doch immer wieder Überraschungen, die einem im Halse stecken bleiben.«
»Guten Tag…«
Die weich klingende Stimme der Frau hatte selbst den Besitzer des Heidekrugs überrascht. Keiner von uns hatte die Person gesehen oder kommen hören, jedenfalls stand sie im Gastraum und veranlasste uns zu einer Drehung auf den Hockern.
Sie war blond, sie war groß gewachsen, sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht, halblanges Haar, blaue Augen, einen lächelnden Mund und trug ein langes Sommerkleid aus Leinen, das die Farbe einer reifen Apfelsine aufwies.
»Hallo, Ute«, sagte der Wirt. »Sind Sie gekommen, um einen Schluck zu trinken?«
»Nein, danke, ich möchte meinen Schlüssel.« Sie blieb sehr freundlich, in den Augen lag ein Strahlen, und als sie bis zur Theke vorging, war von ihren Schritten kaum etwas zu hören. Sie bewegte sich beinahe lautlos, als würde sie schweben.
Es fiel mir auf, dass sie Suko und mich nicht mit einem Blick bedachte. Nicht, dass wir Machos gewesen wären und uns aufplusterten wie die Pfauen, aber dieses Desinteresse war schon außergewöhnlich. Für Ute waren wir Luft.
Links von Suko blieb sie stehen. Wir konnten sie im Profil sehen. Trotz der Hitze wirkte sie so rein und sauber. Vielleicht auch unterkühlt. Zu kühl eventuell?
Ich wusste es nicht und schaute zu, wie sie ihre Arme über die Theke streckte und dem Wirt die offene Handfläche hinhielt, in der der Schlüssel landete.
»Danke sehr, Herr Petersen.«
Sie drehte sich um und ging, ohne uns eines Blickes gewürdigt zu haben.
Ich spürte einen kalten Schauer auf meinem Rücken. Da zog sich etwas zusammen, als hätte jemand mit Eiswürfeln über die Haut gestrichen. Diese Person war mir suspekt.
»Wer war das denn?«, fragte ich, als sie verschwunden war.
»Eine sehr nette Person«, antwortete der Wirt. »Ute Bergmann stammt aus Hamburg. Sie hat für ein paar Tage hier ein Zimmer gemietet.«
»Gehört sie denn zu den anderen Frauen dort draußen?«
»Nein. Sie ist allein hier.«
»Und geht auch des Nachts zu den Steinen?«
Jens Petersen konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Jetzt fragen Sie aber wie die Polizisten.«
»Wir sind welche.«
»Was?« Er schaute Suko an, dann mich, wollte etwas sagen, aber das Telefon hinter ihm meldete sich mit einem harten Klingeln. »Entschuldigen Sie bitte.« Er drehte sich und nahm den Hörer ab.
Ich trank einen Schluck Bier, Suko tat es mir nach. Wir schauten uns an und dachten beide über den Auftritt dieser Ute Bergmann nach, denn nichts anderes war es gewesen. Ein bühnenreifer Auftritt.
»Was denkst du, John?«
Ich hob die Schultern. »Möglicherweise das Gleiche wie du, Suko. So kommt niemand in eine Gaststätte.«
»Weiß nicht…«
»Sie hat uns nicht angesehen…«
»Was war mit deinem Kreuz?«
»Nichts, aber ich spürte das Ziehen auf dem Rücken. Es war wie eine Warnung vor der Gefahr. Etwas geht hier vor, Alter…«
Das Ächzen des Wirtes ließ mich verstummen. Wir hatten uns vorher auf unser Gespräch konzentriert und nicht auf ihn geachtet. Jetzt schauten wir ihn an.
Jens Petersen war kreideweiß geworden. Sichtbar bedeckte der kalte Schweiß seine Stirn. Die Lippen zitterten. Aus dem Mund drangen die ächzenden Laute, und als er den Hörer fallen ließ, traf er nur Holz und nicht den Apparat.
Der
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