065 - Corrida der Dämonen
Kind war er gezwungen gewesen, sich allein durchzuschlagen.
Er brauchte Geld, um aus Mexico City zu entkommen!
Er sah ein Taxi vor das Teotihuacan fahren.
Ein Paar stieg aus. Elegant gekleidet. Die Frau im langen
Abendkleid. In der Hand eine glitzernde Tasche, Ringe an den Fingern, schwere
goldene Armbänder. Ein einziges von ihnen hätte gereicht, alle Sorgen zu
beheben.
Quarmo Lipiades hatte seine Entscheidung getroffen.
Er ging zum Zebrastreifen, wartete, bis die Ampel auf
Grün sprang, und ließ sich dann vom Strom der Passanten mit auf die andere
Straßenseite schieben.
Da kam wieder ein Taxi. An der Tür stand der Boy bereit
und öffnete sie. Eine elegant gekleidete junge Dame kam die breiten Marmorstufen
herab, in der Hand ein Täschchen, um die Schultern eine Pelzstola. Die Señorita
war allein. Das erleichterte Quarmos Vorhaben. Sie trug ein schimmerndes
Perlenhalsband.
Darauf heftete Quarmo Lipiades den Blick.
Als die attraktive Blondine mit dem schulterlangen, goldschimmernden
Haar noch drei Schritte von dem bereitstehenden Taxi entfernt war, hielt der
Indio seine Zeit für gekommen.
Er spurtete los.
Es ging alles blitzschnell. Wie ein Raubtier stürzte
Lipiades auf die Frau.
Seine Hand griff an ihren Hals, und mit einem Ruck riß er
die Perlenkette ab.
Das Ganze dauerte zwei Sekunden. Ehe der Taxichauffeur
merkte, was los war, ehe der Boy an der Glastür auch nur mit der Wimper zucken
konnte — reagierte bereits die Blondine.
Quarmo Lipiades' gemeiner Diebstahl wäre bei jeder
anderen Frau genauso über die Bühne gegangen, wie der Indio sich das
vorgestellt hatte. Doch Quarmo Lipiades hatte Pech. Er war an Morna Ulbrandson
geraten!
Lipiades warf sich mit Schwung nach vorn, wollte so
schnell wie möglich von dem hellerleuchteten Platz vor dem Hotel verschwinden
und in einer der Seitenstraßen untertauchen, als die Hand bereits nach ihm
griff.
Trotz des eleganten Kleides, das sie in ihrer
Bewegungsfreiheit einschränkte, machte Morna einen großen Schritt nach vorn.
Das Kleid platzte von unten her vom Knöchel bis zu den Knien auf.
Quarmo Lipiades wurde von der Rechten der Schwedin gepackt,
und der Indio hatte das Gefühl, als würde er gegen eine unsichtbare Mauer
prallen.
»Zieh die Notbremse, Bursche«, murmelte Morna.
Quarmo Lipiades zog sie. Er warf die Arme in die Höhe,
und die wertvollen Perlen flogen durch die Luft und kullerten über den mit
graugrünen Platten ausgelegten Platz vor dem Hotel.
Der Indio wollte sich losreißen, aber ein eisiger
Schrecken fuhr ihm in die Glieder.
»Zack«, machte es da.
Etwas zischte durch die Luft. Quarmo konnte nur vermuten,
daß es die Hand der hübschen Blondine war. Aber das sah er nicht.
»Ooorgh – aaahhh«, kam es über Lipiades' Lippen, und es
klang, als wäre eine Comic-Figur zum Leben erwacht.
Lipiades fühlte einen stechenden Schmerz in der Seite.
Der Boden vor ihm wankte. Aber das täuschte. In Wirklichkeit war er es, der in
die Knie ging.
In Lipiades' Augen irrlichterte es.
Morna Ulbrandson stellte ihm ihr rechtes Bein auf die
Brust.
Der Indio lag da, als würde ihn ein Zentnergewicht zu
Boden drücken.
»Tut mir leid«, sagte X-GIRL-C. »Es sieht wenig elegant
aus, wie ich da auf Ihnen stehe, aber es ist recht wirkungsvoll.«
»Bei Rha-Ta-N'my!« entrann es Lipiades' Lippen. »Lassen
Sie los! Ich werde sie nie wieder behelligen!«
Schon die ersten Worte aus seinem Mund hatten auf Morna
die Wirkung, als würde ein Messer in ihre Haut schneiden.
Rha-Ta-N'my! Der Name, der Begriff, der innerhalb der PSA
zu einer Schreckensvision geworden war. Seit den Ereignissen um Janosz
Bracziskowksky war es in der Psychoanalytischen Spezialabteilung zu lebhaften
Diskussionen gekommen.
Viele Vorfälle nach den Geschehnissen um den Polen waren
auf eventuelle Merkmale nach Rha-Ta-N'my untersucht worden.
Morna konnte es nicht fassen.
Sie starrte den Indio wie einen Geist an. Sie war genauso
verblüfft wie Lipiades.
»Wenn Sie gestohlen haben, weil Sie Hunger haben, dann
lade ich Sie zum Essen ein«, sagte sie mit fester Stimme. Der zerlumpte Mann
unter ihren Füßen sah abgehetzt und ausgehungert aus. Sie sah das mit einem
Blick.
Lipiades musterte sie aus großen, erstaunten Augen.
»Ich werde auch von einer Anzeige gegen Sie absehen«,
fuhr Morna fort. »Aber das Ganze ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Sie
sagen mir, wieso Sie ausgerechnet auf Rha-Ta-N'my kommen – und Sie werden
fürstlich speisen, si?«
Der Taxifahrer und
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