065 - Rendezvous mit dem Sensenmann
Größten auf dem Erdenrund sein, Meister. Der Tod verliert seinen Schrecken für uns, und nichts mehr wird uns widerstehen."
„Ob Mensch oder Dämon, sie müssen sich uns beugen."
Alle vier sprachen einen Satz, mit verzücktem Gesichtsausdruck.
„Fünf Mädchen sind hier in der Villa, Monsieur Beaufort", sagte die rundliche schmuckbehangene Alma nun kichernd. „Fünf junge ahnungslose Mädchen, voller Lebenskraft. Sie arbeiten an ihren Vogelscheuchen, wie du es befiehlst, Meister."
Alle vier lachten und kicherten nun, rieben sich die Hände und schnitten Grimassen. In dem halbdunklen Zimmer und im Widerschein des Kaminfeuers glichen sie alten Hexen.
„Die Vogelscheuchen sind bald vollendet, hahaha."
„Eine ist schon fast fertig, hihihi."
„Wir werden neue Mädchen herbeiholen, Monsieur Beaufort", sagte Lucia. „Heute noch fahren wir nach Antibes und sehen uns um. Es gibt genug von diesen kleinen Streunerinnen, diesen verderbten Dirnen, die schamlos ihre kaum verhüllten Körper den Männern präsentieren. Diese sittenlosen Ge schöpfe, die geilen und geifernden Mannsbildern beischlafen. Diese Töchter der Sünde."
„Eine von ihnen, die bereits in der Villa wohnt, treibt es mit einem jungen Mann am Strand. Aber ihre Vogelscheuche ist noch nicht fertig. Deshalb müssen wir es dulden. Aber nicht mehr lange, dann bekommt sie ihre Quittung."
„Die anderen sind auch nicht besser. Schamlos fressen sie die Antibabypille unter unserem Dach." „Sei froh, daß du nicht mit ihnen in Berührung zu kommen brauchst, Meister."
Camilla winkte energisch ab.
„Genug jetzt, Schwestern. Monsieur Beaufort weiß Bescheid. Wir müssen uns beeilen, sonst kommen wir zu spät in die Stadt. Alma, sag dem Chauffeur Bescheid. Ich will mich umziehen."
Coco war mit demselben Bus wie Dorian nach Antibes gekommen. Nach dem Abschied spazierte sie durch Antibes. Bereits auf der Flughafentoilette von Nizza hatte sie sich umgezogen. Statt der schicken Reisekleidung trug Coco nun alte Jeans und ein verwaschenes hautenges T-Shirt.
Sie hatte sich auch die Haare zerzaust. Da ihr Koffer auch nicht mehr der neueste war, würde sie jeder für eine Tramperin halten, für einen der hübschen weiblichen Zugvögel der Riviera, die jeden Sommer in Scharen einfielen.
Viele Männer pfiffen ihr anerkennend nach. Taxifahrer und Restaurantkellner machten Anspielungen.
Coco spazierte nicht planlos herum.
Sie hielt Ausschau nach den vier alten Damen von der Villa Daimon. Von Trevor Sullivan wußte sie, daß sie in einem silberfarbenen Rolls-Royce herumzufahren pflegten.
Ein solcher Wagen würde auch in Antibes auffallen. Coco hatte sich vorgenommen, die Aufmerksamkeit der vier zu wecken und sich von ihnen in die Villa einladen zu lassen. Sie schlenderte durch die engen, winkligen Gassen der Altstadt.
Ein paar junge Leute, die vor einer Fischerkneipe unter Sonnenschirmen saßen, luden sie zum Mittrinken ein. Coco setzte sich ein paar Minuten und trank einige Schlucke Chantaco, ging aber wieder, als ein junger Engländer zudringlich wurde.
Zwei junge Franzosen mit einem Maserati fuhren eine Strecke neben ihr her und wollten sie dazu bewegen einzusteigen. Daran hatte Coco aber kein Interesse, und die beiden enttäuschten Autokavaliere entschwanden mit quietschenden Reifen und aufheulendem Motor.
Coco schlenderte durch den alten Fischereihafen, wo ihr ein junger Fischer eine kleine Languste schenkte, und den modernen Yachthafen. Sie genoß die Atmosphäre von Antibes mit den Farben und Gerüchen, den kleinen Häusern der Fischer und den Villen der Reichen und Prominenten. Sie schlenderte durch Cap d'Antibes. Wer hier wohnte, mußte die Urlaubskosten mit mindestens zwanzigtausend Francs veranschlagen.
Es wurde später. Coco fand sich schon damit ab, an diesem Tag den vier Alten aus der Villa Daimon nicht mehr zu begegnen. Da sah sie den silberfarbenen Rolls-Royce vor einer Metzgerei stehen. Der Chauffeur und zwei alte Damen saßen im Wagen. Zwei waren im Laden und wurden vom Meister und einer Verkäuferin bedient.
Coco stellte sich vor den Laden, der sich am Rand des Zentrums in der Rue du Calais befand, und tat, als betrachte sie die Auslagen im Schaufenster. In Wirklichkeit beobachtete sie die beiden alten Damen.
In diesem brodelnden Ferienort wirkten sie wie Überbleibsel der Jahrhundertwende. Sie trugen schwere alte Sommerkleider mit langen weiten Röcken, die bis zu den Knöcheln reichten, hielten Sonnenschirme und hatten viel Rouge auf
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