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0664 - Der Vampir von Denver

0664 - Der Vampir von Denver

Titel: 0664 - Der Vampir von Denver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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auf ihre Entdeckung warteten. Als sie über die Schwelle trat und den Geruch von altem Holz und schweren Stoffen einatmete, verschwand die Angst vor den Priestern und ihrem dunklen Ritual ebenso aus ihren Gedanken wie die eindringlichen Anweisungen und Ratschläge ihres Vaters. Sie fühlte sich, als habe sie eine neue Welt betreten.
    Hinter ihr schloß der Chinese die Tür.
    In ihrer Aufregung bemerkte Jin Mei nicht, wie er sorgsam um die kleinen Lichtkegel herumging, die von einzelnen Sonnenstrahlen auf den Boden geworfen wurden. Sie sah auch nicht die spitzen Eckzähne, die sich unter seinen Lippen hervorschoben, als er zufrieden lächelte.
    Jin Mei war glücklich.
    Und schon so gut wie tot.
    ***
    Ruhig lag der Vampir auf dem Bett. Er erwartete die Nacht. Entgegen der Bitte seines Auftraggebers hatte er sich bei jedem seiner Streifzüge ein Opfer gesucht. Ihn störte es nicht, daß die Zeitungen über die Todesfälle schrieben und die Polizei verstärkt in den Straßen patrouillierte.
    Schließlich waren es nur Sterbliche. Sie vermochten nicht, ihn zu verletzen oder gar zu töten. Selbst Dämonen legten sich nicht mehr mit ihm an, nachdem einige den Versuch mit ihrem Leben bezahlt hatten. Seitdem begegneten sie ihm mit dem Respekt, den seine jahrtausendealte Existenz verdiente. Und er zahlte es ihnen zurück, in dem er sich nicht in ihre kleinen Machtspielchen einmischte, sondern nur aktiv wurde, wenn es um seine eigene Art ging.
    So wie vor einigen Tagen, als der höchste Vampir der kalifornischen Familien, Don Diego, sich an ihn wandte und die Geschichte eines Abtrünnigen erzählte, der sich dem Tod entzogen hatte und verschwunden war. Mit Hilfe einer Technik, die in den letzten Jahren sehr populär geworden war und über die der Vampir nur wußte, daß man sie Computer nannte, hatte Don Diego den Verschwundenen in einer Stadt namens Denver aufgespürt. Die Familien auf dem neuen Kontinent hielten sich strikt an die Regel, daß kein Vampir einen anderen töten durfte, aber in diesem speziellen Fall hätte das Oberhaupt der kalifornischen Familien das Recht gehabt, das Leben jenes anderen Vampirs zu nehmen, da dieser seinen ehrenvollen Selbstmord zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hatte. Damit galt er vor der Sippe als vogelfrei und konnte von jedem gejagt und getötet werden.
    Wäre da nicht ein Problem gewesen.
    Der Abtrünnige, ein Chinese namens Fu Long, befand sich in Colorado, einem Gebiet, das einer anderen Familie gehörte, deren Erlaubnis Diego hätte einholen müssen.
    Aber diese über Colorado herrschende Familie hatte sich seit über hundert Jahren nicht mehr gezeigt und niemand wußte, wie man sich mit ihr in Verbindung setzen konnte. Don Diego konnte es aber nicht riskieren, einen anderen Vampir auf dem Hoheitsgebiet einer fremden Familie zu töten, selbst wenn jener vogelfrei war. Im schlimmsten Fall bedeutete so etwas Krieg.
    Also kam Don Diego zu ihm, dem Uralten, und bat um Hilfe.
    Der Untote seufzte unter der Ljast seiner selbstgewählten Aufgabe. Er war vor Jahrtausenden geboren worden, als der Aufstieg der menschlichen Zivilisation nur eine Ahnung in den Köpfen derer war, die sich die Mühe machten, die Sterblichen bei ihrem Überlebenskampf zu beobachten. Während andere Mächte über den Planeten herrschten und ihn unter sich aufteilten, hatte er die Menschen durch Steppen und Wälder gejagt und außer ihrem Blut auch ihre Stärken kennengelernt. Bereits damals hatte er begriffen, daß sie eines Tages die Schwarzblütigen ins Reich der Hölle zurückdrängen würden. Und so geschah es auch. Langsam und schleichend zunächst, dann mit der Macht einer unaufhaltsamen Lawine, eroberten die Menschen den Planeten, machten aus den Jägern Gejagte und verbannten die Wesen seiner Art zuerst in unzugängliche Gebiete und zu guter Letzt sogar ins Reich der Legende.
    Der Vampir erinnerte sich noch sehr gut an die Kleinkriege zwischen den Familien, die ständigen Morde untereinander und die Gier nach mehr Macht, die seine Art an den Rand des Untergangs gebracht hatte. In einer Verzweiflungstat hatte er damals die Herrscher sämtlicher Familien aufgesucht und ihnen den Vorschlag unterbreitet, Frieden zu schließen und bestimmte Regeln zu vereinbaren, an die sich jeder halten müsse. Im Gegenzug war er bereit, seine Familie und sein Einflußgebiet aufzugeben und als unparteiischer Richter über die Einhaltung dieser Gesetze zu wachen. Nach langen Verhandlungen und nicht enden wollenden

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