0664 - Der Vampir von Denver
der zu erwartenden Kürze des Aufenthalts lohnte sich das nicht.
»Schade, daß Rob sich die Zeit nicht genommen hat. Dabei wäre es bestimmt wichtig zu wissen, daß Astardis sich wieder einmal gerührt hat«, stellte Monica Peters kopfschüttelnd fest, nachdem Zamorra mit seinem Bericht fertig war. »Der Bursche ist verdammt gefährlich. Immerhin hat er es schon einmal fertiggebracht, unsere weißmagische Abschirmung zu durchbrechen…«
»Beziehungsweise nicht der Dämon selbst, weil er sich ja nie aus seinem Versteck in Höllen-Tiefen heraustraut, sondern sein Doppelkörper, den er aussendet und agieren läßt…«
»Was in der Praxis so ziemlich auf dasselbe herauskommt«, winkte Nicole Duval ab. »Mit einer einzigen Ausnahme: wir können den Doppelkörper umbringen, wieder und wieder, aber Astardis selbst erwischen wir nicht, und wenn wir eines seiner Doubles unschädlich machen, kann er jederzeit das nächste projizieren.«
»Fragt sich, ob er es tun wird«, überlegte Zamorra. »Möglicherweise leckt er erst einmal seine Wunden und analysiert die Lage. Speziell seine Niederlage. Er hat lange Zeit nichts von sich hören lassen, vielleicht wird er das auch künftig so halten.«
Aber wirklich glaubte Zamorra nicht daran. Es konnte kein Zufall sein. Astardis tauchte wieder aus der Versenkung auf, das dritte Schwert wurde gefunden… vielleicht gab es Zusammenhänge. Vielleicht auch nicht. Man würde sehen.
Sie trennten sich bald wieder voneinander.
Bevor er selbst aufbrach, hatte Rob hatte Zamorra und Nicole freundlicherweise seinen Hubschrauber zur Verfügung gestellt, der sie nach Denver brachte. Der mit Dynastie-Technik umgebaute ehemalige Bell-UH ID war schnell wie ein Jet.
Das war es allerdings weniger, was der Dämonenjäger an der Geste schätzte; auch die eingesparten Kosten für das Ticket spielten nur eine untergeordnete Rolle. Aber der Flug mit dieser Maschine bedeutete, daß Zamorra und Nicole auf keiner Passagierliste auftauchten, weder bei ihrer Einreise in die USA, die ja mittels der Regenbogenblumen stattgefunden hatte, noch bei der Ankunft mit dem Helikopter in Colorado.
Auch das Hotel hatten sie nicht vorher gebucht, sondern erst am Flughafen, wo man ihnen mitteilte hatte, daß es das einzig freie in der Nähe des chinesischen Viertels sei.
Da alle Toten in diesem Teil der Stadt gefunden worden waren, hatten Zamorra und Nicole beschlossen, daß es logisch sei, nicht zu weit entfernt abzusteigen.
» Cheri «, riß Nicoles Stimme Zamorra aus seinen Gedanken, »wenn uns wirklich jemand beobachtet, wird er wiederkommen. Vielleicht kann ich dann mehr erkennen. In der Zwischenzeit sollten wir uns besser den letzten Tatort ansehen, bevor es zu spät für eine Zeitschau ist.«
Zamorra nickte. Die Zeitschau war eine Fähigkeit des Amuletts, durch die man einen Blick in die Vergangenheit werfen konnte. Mehr als vierundzwanzig Stunden konnte man damit allerdings nicht überbrücken, denn die Zeitschau kostete den Träger sehr viel Kraft, das hatte er am eigenen Leib oft genug erfahren müssen. Je weiter man in der Zeit zurückgehen wollte, desto kräfteraubender war die Aktion.
Der Dämonenjäger warf einen Blick aus dem Fenster. In einiger Entfernung konnte er die Wolkenkratzer des Geschäftsviertels erkennen, die aus der ansonsten recht flach erbauten Stadt herausragten. Dahinter lag die gewaltige Bergkette der Rocky Mountains, deren schneebedeckte Gipfel im Sonnenlicht hell erstrahlten. Durch den Zeitunterschied zwischen Florida und Colorado hatten sie die Flugzeit wettgemacht. In Denver war es immer noch später Nachmittag, was bedeutete, daß Zamorra noch einige Stunden blieben, um die Zeitschau durchzuführen.
»Du hast recht«, stimmte er zu. »Laß uns gehen.«
Nicole verstaute den Dhyarra-Kristall achter Ordnung in ihrer Lederjacke. Thor von Asgaard hatte ihnen kurz vor seinem Tod den Kristall und die Fähigkeit, ihn zu benutzen, vermacht. Seitdem gehörte der Sternenstein zu ihrer wichtigsten Ausrüstung.
Zamorra beschloß, daß ihm das Amulett zum Schutz reichte. Schließlich wollten sie nur einen Tatort besichtigen, und auf Vampire würden sie wohl im hellen Tageslicht nicht stoßen. Und selbst wenn es sich um Tageslichtvampire handelte - mit Blutsaugern würden sie ja wohl noch fertig werden.
Dachte er.
***
Jin Mei nahm einen kleinen Schluck Tee und stellte die Porzellantasse vorsichtig auf den reich verzierten Unterteller zurück. Ihr gegenüber saß Fu Long in einem
Weitere Kostenlose Bücher