0674 - Der Wald des Teufels
einmal zugehört«, sagte Frank Therborn eindringlich. »Ich habe diesem Ahrens gesagt, daß Robbie unschuldig sein muß, weil wir an dem Tag, als der kleine Daniel entführt wurde, die ganze Zeit zusammen im Wald waren. Er hat also ein Alibi. Aber das hat Ahrens nicht interessiert. Und deshalb sind wir hier.«
Bernd Wahrmann nickte und ergänzte: »Sie sind der Bürgermeister. Ihnen Wird er zuhören müssen. Wenn Sie sich also in die Sache einschalten könnten…«
Der Waldarbeiter ließ den Satz unvollendet und sah den Mann, dem er vor zwei Jahren seine Wählerstimme gegeben hatte, hoffnungsvoll an.
Bender legte den Brieföffner zur Seite.
»Das sind schwere Anschuldigungen«, sagte er ernst. »Sie werfen einem Polizisten vor, daß er einen unschuldigen Mann ins Gefängnis bringen will.«
Er stand auf und trat ans Fenster. In einiger Entfernung konnte er die Wipfel der Bäume erkennen, die sich sanft im Wind bogen. Zwischen ihnen stand ein großer gelber Kran, der sich starr gegen die Böen behauptete. Genau so, dachte Bender, werde auch ich mich behaupten. Ob es gegen Legenden oder zwei Waldarbeiter geht. Nichts wird meinen Aufstieg bremsen.
»So etwas ist ein gefundenes Fressen für die Medien«, fuhr er fort, scheinbar an das Fenster gewandt. »Man wird Sie interviewen wollen, in Talkshows einladen. Ihr Bild wird in den Zeitungen auftauchen. Menschen werden Sie auf der Straße ansprechen.«
Er drehte sich wieder zu den beiden Männern um, die ihm fasziniert zuhörten und sich im Geiste schon ausmalten, wie es wohl sein würde, berühmt zu sein.
Es war fast schon zu einfach, sie zu manipulieren.
»Natürlich werden die Medien wissen wollen, wer diese beiden mutigen Männer sind und ob sie vertrauenswürdig sind.«
Er sah Frank Therborn an. »Vielleicht hatten sie ja selbst schon einmal mit der Polizei zu tun. Vielleicht hat einer von ihnen sogar eine Vorstrafe, die er bei seinem Einstellungsgespräch verschwiegen hat.«
Therborn wurde blaß. Benders Blick wanderte zu Bernd Wahrmann. »Einer der beiden trinkt vielleicht ab und zu, auch wenn er bei der. Arbeit ist. Manche Leute könnten vielleicht behaupten, er sei ein Alkoholiker. Und einen solchen Mann kann man natürlich nicht für eine Arbeit gebrauchen, bei der er mit gefährlichen Werkzeugen umgehen muß.«
Zufrieden sah der Bürgermeister, wie Schweißperlen auf Wahrmanns Stirn erschienen.
»Das sind natürlich alles nur Theorien, meine Herren.«
Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab. »Möchten Sie, daß ich diesen Herrn Ahrens jetzt anrufe? Es wäre mir ein Vergnügen, Ihnen zu helfen.«
Wahrmann und Therborn sahen sich an. Nach einem Moment senkte Therborn den Blick und schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Bender«, sagte er leise. »Ich glaube, wir haben uns geirrt. Die Polizei wird schon wissen, was sie tut.«
»So sehe ich das auch. Trotzdem vielen Dank für Ihre Hilfe«, stimmte Wahrmann zu..
»Gern geschehen«, antwortete der Bürgermeister lächelnd und sah zu, wie die beiden Männer sein Büro verließen. Sie würden ihm wohl keine Probleme mehr bereiten.
Bender stand auf und ging zu der kleinen Abstellkammer. Die Eröffnung des Multiplex-Kinos und der Beginn der Tourismus-Saison standen unmittelbar bevor, daher war die Verhaftung des Entführers ungeheuer wichtig. Ob Robert Mörtens es nun getan hatte oder nicht - und Bender wußte, daß er unschuldig war - interessierte dabei nicht.
Es zählte nur, daß nicht noch mehr Kinder verschwanden.
Und dafür konnte Bender sorgen, aber zuerst mußte er sich um etwas anderes kümmern.
Er schloß die Tür der Kammer hinter sich und zündete die Kerzen rund um das Pentagramm an. Dann zog er sich aus und kniete inmitten der Kreidezeichnung nieder.
Seine Verabredung mit dem Teufel wartete.
***
Der ›Teufel‹, ein Dämon von niedrigem Rang, der auf den Namen Cyarxon hörte, räkelte sich in einem Lavabad und genoß die angenehmen Seiten seines finsteren Daseins. Wie Tausende anderer Dämonen seiner Stärke verdingte er sich als Teufel, was bedeutete, daß er die Verträge zwischen der Hölle und den Menschen schloß, die dumm genug waren, ihre Seele zu verkaufen.
Natürlich hielt sich jeder dieser Menschen für besonders schlau und glaubte, ein Schlupfloch im Pakt mit dem Teufel gefunden zu haben. Cyarxon hatte jedoch noch keinen erlebt, dem es tatsächlich gelungen war. So lange er seinen Teil des Pakts erfüllte, hatte der Mensch keine Chance.
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