0674 - Der Wald des Teufels
Deshalb schätzte Cyarxon vor allem die einfachen Wünsche wie Geld, Macht und Erfolg. Das alles konnte er innerhalb von Minuten gewähren und sich dann zurückziehen. Was der Mensch dann daraus machte, betraf Cyarxon nicht mehr. Er tauchte nur später noch einmal beim Tod seines Klienten auf und nahm dessen Seele an sich.
Ein einfaches Geschäft.
Der Dämon seufzte und ließ noch etwas Lava aus der Höhlendecke tropfen. Er brauchte diese Entspannung, denn nicht alle Klienten waren so anspruchslos. Es gab auch einige schwierige Fälle, die ständig herumnörgelten und ihn wegen jeder Kleinigkeit beschwörten. Sie riefen ihn an, weil ihre Freundin mit ihnen Schluß gemacht hatte, sie zum dritten Mal in einem Jahr erkältet waren oder sie jeden Morgen auf der Fahrt zur Arbeit im Stau standen. Manchmal konnte Cyarxon sie mit einem Hinweis auf die Vertragsbedingungen leicht abwimmeln, manchmal mußte er jedoch tatsächlich aktiv werden.
Er haßte das. Das Leben könnte so schön und einfach sein, wenn es diese notorischen Nörgler, Meckerer und Egoisten nicht gäbe.
Und genau in diesem Moment ging es schon wieder mal los.
Etwas zog an seinem Körper. Er wurde beschworen.
Einer dieser notorischen Nörgler, Meckerer und Egoisten wandte den Höllenzwang auf ihn, Cyarxon, an.
Nicht jetzt! dachte Cyarxon entnervt und stieg aus der Lava empor. Einer Beschwörung konnte er sich nicht entziehen; das war einer der Nachteile seiner Existenz. Der Dämon tastete mit seinen nichtmenschlichen Sinnen kurz nach dem Ursprung des Rufes und seufzte.
Einer seiner schwierigeren Fälle erwartete ihn.
Cyarxon murmelte einen kurzen Zauberspruch und verwandelte sich in den klassischen Teufel mit Pferdefuß und Hörnern, dessen Aussehen die Menschen in diesem Kulturkreis zu bevorzugen schienen. Dann ließ er sich von dem Strom des Höllenzwangs mitreißen, der ihn aus den Schwefelklüften heraus in einen kleinen Raum auf der Erde führte.
Arrogant schwebte der Dämon über seinem nackt auf dem Boden knienden Klienten. Seine magisch verstärkte Stimme donnerte durch den Raum: »Was willst du denn jetzt schon wieder, Ahrens?«
***
»Es würde mich nicht wundern, wenn wir gleich den drei Filmstudenten aus ›The Blair Witch Project‹ über den Weg laufen«, scherzte Nicole.
Zamorra grinste. »Solange wir nicht der Hexe begegnen…«
»Dürfte es auch eine Waldhexe sein?« erwiderte Nicole schmunzelnd und erinnerte damit an ihren Abstecher in den brasilianischen Regenwald, der erst ein paar Tage zurück lag. In der Nähe von Porto Velho am Rio Madeira, im Bundesstaat Rondônia, lebte versteckt im Wald die naturverbundene Hexe Silvana alias Marina daSilva. Sie hatte es vor vielen Jahren geschafft, Nicole vom Vampirkeim zu befreien, den ihr der MÄCHTIGE Coron ins Blut gepflanzt hatte. Jetzt, da ihre Freundin Angelique Cascal in einer ähnlichen Lage war, durch den Biß des Vampirs Tan Morano ebenfalls zu einer Vampirin gemacht, hatte Nicole sich wieder an die Waldhexe Silvana erinnert und zusammen mit der Silbermond-Druidin Teri Rheken Angelique nach Brasilien gebracht. [2]
Ob es Silvana gelang, Angelique zu helfen, war nicht sicher. Es hing davon ab, wie stark der Keim in der Kreolin bereits geworden war. Immerhin hatte sie, im Gegensatz zu Nicole damals, bereits selbst Blut getrunken. Auch wenn es »nur« Dämonenblut gewesen war…
Irgendwann würden sie erfahren, ob Angelique zum Vampirismus verdammt blieb oder gerettet werden konnte. Silvana hatte von Wochen, Monaten oder sogar Jahren gesprochen.
Währenddessen hatte Zamorra in Baton Rouge, Louisiana, versucht, zusammen mit Angeliques Bruder Yves Cascal den Vampir Tan Morano zu jagen. Doch Morano war entkommen. Dabei hatte der Vampir zwischenzeitlich Zamorra in seine Gewalt bekommen und hätte ihn mühelos töten können; aus einem unerklärlichen Grund hatte er einfach darauf verzichtet und Zamorra am Leben gelassen, obgleich der umgekehrt seine Chance nicht ungenutzt hätte verstreichen lassen…
Allerdings hatte Yves danach Zamorra die Freundschaft aufgekündigt und ihn aus der Wohnung geworfen. Mehr und mehr, fand Zamorra, entwickelte sich Yves zu seinem Nachteil. Er wurde härter, kompromißloser - fast schon bösartig.
Zamorra fragte sich, was daraus noch werden mochte. Aber er war jetzt schon sicher, daß es ihm nicht gefallen würde…
Und nun, kaum wieder daheim im Château Montagne im schönen Loire-Tal, kam Saranows Anruf.
Pascal Lafitte, der für Zamorra
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