0675 - Der falsche Buddha
den anderen, die wir zurückgelassen haben. Du bist keine Rebellin. Ich glaube das einfach nicht.«
Sie ließ einen Moment verstreichen. »Schön, was glaubst du statt dessen?«
»Für mich bist du einfach zu klug, dich in eine Geschichte- hineinziehen zu lassen, die im Endeffekt nichts bringt. Du mußt doch selbst wissen, daß diese komischen Rebellen zwar gefährlich, aber dennoch völlig chancenlos sind. Die werden es niemals schaffen, ihre Ziele zu erreichen. Das ist unmöglich. Es sind Traumtänzer, die sich im Regenwald versteckt halten.«
Ihr Räuspern klang fast männlich.
»Tatsächlich? So gut kennst du mich bereits?«
»Ich lasse da mein Gefühl sprechen.«
Eine Antwort erhielt ich zunächst nicht. Sie ließ also offen, ob ich recht gehabt hatte oder nicht. Ich wollte sie auch nicht zwingen und gab mich der Betrachtung der Landschaft oder Umgebung hin, die so anders geworden war.
Wir hatten an Höhe gewonnen. Ob diese Tatsache mit dem Verschwinden der Dichte des Regenwalds zu tun hatte, war mir unklar.
Die breiten Reifen des Wagens rollten und holperten über den felsigen Boden, aus dem die Buckel hin und wieder wie kleine Hügel schauten. Manchmal waren sie von einer grünen Schicht überzogen, dann wieder lagen sie frei, und rechts von mir öffnete sich eine sehr breite Schlucht. Ich dachte an die Hängebrücke, von der meine Begleiterin gesprochen hatte. Noch suchte ich sie vergeblich.
Narina waren meine forschenden Blicke aufgefallen. »Wir müssen diese Schlucht überqueren.«
»Und da gibt es nur die Brücke?«
»So ist es.«
Ich hob die Schultern. Was sollte ich mich aufregen. Es war Schicksal und nicht anders zu machen.
Über uns zeigte der Himmel dicke Wolken. Die Feuchtigkeit war nach oben gestiegen, hatte sich dort zusammengeballt und eben dieses Wolkenbild entstehen lassen.
Das Atmen wurde zur Qual. Hin und wieder kam es mir vor, als würden wir durch eine feuchte Waschküche fahren. Ich schwitzte ungemein stark. Die Luft schmeckte ein wenig nach Schwefel. Zum Glück tat der Jeep seine Pflicht.
»Man nennt dieses Gebiet auch den Spielplatz des Teufels«, erklärte Narina mir.
»Wie recht ihr habt.«
»Aber das ändert sich.«
»Wann?«
»Jenseits der Schlucht. Dieser Flecken hier ist eben völlig anders. Ein feuchter Ort. Hier findest du viel Wasser und Morast. Wehe dem, der sich hier verläuft und versinkt. Man wird ihn wohl niemals mehr finden. Der Boden frißt alles.«
»Dann lieber ein Krokodil«, sagte ich und mußte husten, weil die Luft einfach zu sehr stank. Es wehte auch kaum Wind. Wenigstens war er nicht so stark, als daß er die Wolken hätte zerflattern können.
So blieben sie, und wir rollten immer näher an die tiefe Schlucht heran, etwa vergleichbar mit einem Canyon, wie man ihn aus den amerikanischen Western her kannte.
Irgendwo sollte die Brücke sein.
Meine Begleiterin kannte sich sehr gut aus, denn sie zog den Jeep plötzlich herum. Die Reifen rutschten einmal weg, dann hatte sie es gepackt. Direkt rollten wir auf die breite Schlucht zu, über der ebenfalls Nebeltücher hingen wie gewaltige Gespenster.
»Es ist heute besonders schlimm«, erklärte Narina. »Wir haben eben einen schlechten Tag erwischt.«
»Es ist leider nicht tröstlich für uns, daß es auch bessere gibt.«
»Egal, wir müssen durch.«
Schlimm war der Dunst. Er machte eine Sicht so gut wie unmöglich. Ich am Steuer wäre irgendwann in die Schlucht gefahren, aber Narina kannte sich aus. Seltsamerweise schenkte ich ihr vollstes Vertrauen. Ich war auch sicher, daß sie es nicht enttäuschte.
Einmal sprang der Jeep hoch, als wollte er sich selbst in den Abgrund katapultieren. Ich schaute besorgt die Fahrerin an, die nur knapp lächelte.
»Ich habe alles im Griff.«
»Schön, mit beiden Händen.«
Einen Moment später mußte sie auf die Bremse treten, denn vor uns senkte sich das Gelände. Die Frau pfiff durch die Zähne, bremste, und hatte das Fahrzeug bald wieder unter Kontrolle. Ihr Lächeln sah scharf und wild aus. Es gefiel ihr, den Wagen zu lenken.
Vor mir erschien ein Gerippe. Langgestreckt und etwas durchhängend, umweht von Dunstschwaden, die wie Tücher den primitiven Übergang umkrallten.
Es war die Brücke!
Ich konnte eine gewisse Trockenheit in meinem Hals nicht vermeiden, hielt mich allerdings mit einem Kommentar zurück und wartete darauf, was geschehen würde.
»Sag du nichts, John, überlaß mir alles.«
»Das versteht sich.«
Wenn Kinder in den Keller gehen
Weitere Kostenlose Bücher