0675 - Der falsche Buddha
Freund Suko, der Buddha um etwas bitten möchte und hofft, daß ihm diese Bitte gewährt wird.«
»Was ist es?«
Allein zu zweit auf dieser primitiven Hängebrücke, umwallt von Nebelschwaden und mit der Gewißheit, zu Fuß weitergehen zu müssen, beschloß ich, Narina einzuweihen. Ich brauchte nicht lange dazu. Sie war eine intelligente Frau und begriff sehr schnell.
Auch gehörte sie nicht zu den ängstlichen Personen. Als ich jedoch den beinlosen Götzen erwähnte, rann auch über ihr Gesicht ein Schauer. Ich hakte sofort nach. »Du kennst ihn?«
»Ja, ich hörte davon.«
»Wie gut kennst du ihn?«
»Er will Gaya übernehmen. Er ist ein Herrscher, er hat sich den alten Göttern verschrieben. Schiwa und Kali sind seine Vorbilder. Er will die heilige Stadt Gaya unter seine Knute zwingen. Dabei seid ihr ihm in die Quere gekommen.«
»Stimmt. Nur hat er sich geirrt, wenn er annimmt, daß ich aufgeben werde. Ich muß hin, verstehst du? Ich muß.«
Sie legte mir die Hand auf die Schulter. Eine kameradschaftliche Geste. »Klar, das verstehe ich. Ich kann mir auch vorstellen, daß er es nicht soweit kommen lassen will. Er wird versuchen, dich und mich unterwegs abzufangen.«
»Könnten das die Verfolger gewesen sein?«
»Vielleicht.«
»Sie wissen nicht, wo ich bin.«
Narinas Hand rutschte von meiner Schulter. »O John, du kennst unser Land nicht. Du weißt nichts von den geheimnisvollen Kräften, mit denen der Beinlose im Bunde steht. Sicherlich ist ihm längst bekannt, wo wir uns befinden. Das Gefühl, verfolgt zu werden, stieg nicht grundlos in mir hoch.«
»Trotzdem gibt es für mich nur eine Alternative. Weiter.« Ich deutete in die entsprechende Richtung.
»Ist die Brücke noch intakt?«
»Nein, nicht mehr. Sie weist eine Lücke auf, über die wir mit unserem Wagen nicht hinwegkommen.«
»Das dachte ich mir.«
»Woher?«
»Man hat mich im Camp gewarnt.« Sie hob die Schultern. »Okay, dann werden wir gehen.«
»Moment noch. Wie lange werden wir unterwegs sein, bis wir die Straße erreichen?«
»Erst müssen wir die Brücke hinter uns gelassen haben. Mehr als die Hälfte liegt noch vor uns.«
Das dachte ich mir. »Rechnest du noch mit irgendwelchen Überraschungen?«
»Die kann man nie ausschließen.«
Mit dieser keineswegs optimistischen Antwort versehen, machten wir uns auf den Weg.
Es war ein Schreiten in den Nebel hinein, ein Balancieren auf dem Rand des Vulkans, denn auch unter unserem Gewicht bewegten sich die schmalen Bohlen.
Aus dem Jeep hatte Narina noch einen Hut geholt, den sie aufsetzte. Sie löschte das Licht und klopfte mit der flachen Hand auf die Motorhaube. »Schade um dich, mein Freund. Du hast deine Sache wirklich gut gemacht.«
Widerspruch erntete sie nicht. Ich erwartete sie an der Lücke. Narina blieb neben mir stehen und atmete schnaufend. »Da haben wir tatsächlich Glück gehabt.«
»Bestimmt.« Ich maß die Länge der Lücke mit meinen Blicken nach und rechnete. »Es ist riskant, sie zu überspringen. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen.«
»Das sehe ich auch so.« Narina drehte sich nach links. »Es ist besser, wenn wir uns außen an dem Loch entlanghangeln. Oder gibt es eine bessere Chance?«
»Mir fällt keine ein.«
»Okay, dann mache ich den Anfang.«
Wieder wunderte ich mich über diese Person. Sie ging das Problem mit einer Sicherheit an, die schon mehr als ungewöhnlich war.
Narina war eine Frau, die auch auf dem Spielplatz des Teufels ihren Mann stehen konnte. Wie sie sich an der linken Seite entlanghangelte und mit beiden Händen das straff gespannte Seil umschloß, ließ schon auf eine gewisse Routine schließen. So etwas schaffte man nicht beim erstenmal. Da mußte schon mehr dahinterstecken.
Das Seil bog sich unter ihrem Gewicht zwar durch, war aber genügend straff gespannt, um nicht nachzugeben. Mit den Hacken schlug sie gegen die nach unten hängenden Bohlen und arbeitete sich parallel zur Lücke weiter.
Ich wollte auch nicht länger warten und ließ mich vorsichtig in die Tiefe sinken, wobei ich das straffe Geländerseil ebenfalls mit beiden Händen hielt.
Narina kletterte bereits jenseits der langen Lücke auf die Brücke zurück, während ich mich noch am Beginn meiner Bemühungen befand. Ich wog mehr als sie, und das Seil, mochte es auch noch so straff gespannt sein, bog sich unter meinem Gewicht durch.
Wenn ich mich weiterhangelte, geriet ich bei jedem Griff ins Schaukeln. Da pendelte mein Körper wie ein Klöppel hin und her.
Mit den
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