0675 - Der falsche Buddha
und sie sich fürchten, dann pfeifen sie oft. So erging es auch Narina. Sie pfiff vor sich hin. Die Melodie kannte ich nicht. Es war mir auch egal. Hauptsache, wir beide kamen durch, und es machte ihr Mut.
Ich mußte mich voll und ganz auf Narina und die Brücke verlassen!
Noch einmal gab Narina Gas, dann rollten die beiden Vorderräder über die ersten Bohlen der Hängebrücke. Das gesamte Gebilde wurde von straff gespannten Seilen gehalten, und als Narina den Wagen auf diesen primitiven Übergang lenkte, da merkte ich sofort das Schwanken der Konstruktion. Narina pfiff noch immer. Diesmal allerdings leiser. Da blieben die Hälfte der Töne in der Kehle stecken.
Mein Tag war es nicht. Ich hoffte nur, daß das Schicksal bei Narina anders entschieden hatte.
Um den Wagen in der Spur halten zu können, mußte man schon zu den perfekten Fahrern gehören. Mir wär es schwergefallen, aber Narina erstaunte mich immer mehr. Sie fuhr ruhig weiter. Man merkte, daß sie die Strecke nicht zum erstenmal befuhr.
Die Bohlen hielten. Der Dunst hatte sie naß werden lassen. Viele von ihnen waren auch mit einer grünen Pflanzenschicht überzogen.
Manchmal so dünn, als hätte man sie aufgepinselt.
Ich schwitzte mehr als die Frau. Sie saß steif auf dem Sitz und hatte sich etwas vorgebeugt. Auf der Stirn lagen einzelne Schweißperlen. Ihre Lippen waren gespitzt, nur pfiff sie nicht mehr und verschluckte die Töne.
Die Bohlen zeigten eine unterschiedliche Höhe, so daß der Jeep immer wieder hoppelte. Hier traf das Wort Himmelfahrtskommando sehr genau zu. Wie weit wir vom rettenden Boden entfernt waren, konnten wir nicht sehen. Beide schwebten wir mit dem Fahrzeug zusammen im luftleeren Raum. Jeden Augenblick konnte es knirschen, wenn die Bohlen auseinanderbrachen.
Noch hielten sie.
Und auch Narina hielt an.
Ich wunderte mich darüber und wollte den Grund wissen.
Sie wischte Schweiß aus dem Gesicht, dann atmete sie tief durch.
Ihre Züge zeigten eine harte Anspannung, was sie eine ganze Ecke älter machte.
»Was ist denn?«
Sie öffnete den Mund und hob die Augenbrauen. »Ich würde vorschlagen, John, daß du aussteigst und nachsiehst.«
»Ach, wie Indiana Jones?«
»So ähnlich.«
»Dann brauche ich auch eine Peitsche.«
Etwas ärgerlich winkte sie ab. »Laß die Scherze. Geh vor und schau bitte nach.«
Ich drückte die Tür auf. »Was könnte es denn sein? Weshalb hast du gestoppt?«
»Ich habe den Eindruck, als wäre eine Stelle vor uns nicht so ganz okay. Wie gesagt, ich fahre die Brücke nicht zum erstenmal. Deshalb möchte ich auf Nummer Sicher gehen.«
»Was ist, wenn Bohlen fehlen?«
»Müssen wir den Wagen hier stehenlassen.«
Ich enthielt mich einer Antwort und verließ den Jeep. Die Bohlen waren tatsächlich rutschig.
Hinter mir verschwand der Wagen im Dunst. Die Schwaden stiegen wie Geister aus der Schlucht. Sie dämpften alle Geräusche, selbst meine eigenen Schritte hörte ich kaum.
An meiner rechten Seite lief das her, was man als Geländer ansehen konnte. Dabei war es nur ein straff gespanntes Seil, in bestimmten Abständen durch Knoten verstärkt.
Ich bewegte mich wie jemand, der rohe Eier in den Schuhen hatte.
Über meinen Nacken rieselte ein Schauer. Bevor ich eine Bohle mit meinem Gewicht belastete, prüfte ich erst noch nach, ob sie mein Gewicht auch würde halten können.
Es klappte noch.
Einmal blieb ich stehen und schaute mich um. Der Jeep war nur mehr als dunkler Schatten zu sehen, aber Narina hatte die Scheinwerfer eingeschaltet, deren Licht eine helle Insel schuf.
Obwohl ich nur wenige Schritte vom Wagen entfernt stand, schien er meilenweit vor mir zu stehen.
Den Grund des Stopps hatte ich noch immer nicht entdecken können. Mir kam auch der Gedanke, daß mich Narina möglicherweise hatte reinlegen wollen, dann schimpfte ich selbst über mein Mißtrauen. Sie hätte sich bestimmt nicht so viel Mühe mit mir gegeben, hätte sie so etwas vorgehabt.
Dann sah ich das Loch!
Im letzten Moment hatte ich die Lücke entdeckt. Vor mir fehlten einige Bohlen, sie waren nicht verschwunden, sondern hingen an der linken Seite durch. Die Seilknoten hielten sie nur mehr an einer Seite fest, ansonsten war nichts.
Mir rutschte ein Fluch über die Lippen, denn die Lücke war groß genug, um auch den Jeep zu schlucken. Da kamen wir einfach nicht mehr weiter.
Wissen, Ahnung oder Zufall?
Jedenfalls konnte ich meiner Begleiterin dankbar sein, daß sie so vorsichtig gewesen war. Das Kribbeln auf
Weitere Kostenlose Bücher