0677 - Das Haus der Hyänen
seiner Gestalt.
Als ich ging, wollte mich Olga zurückhalten, aber Wladimir sprach dagegen. »Lassen Sie ihn. Er weiß genau, was er tut. Jetzt können wir nichts mehr machen.«
»Aber er wird…«, sie protestierte vergeblich, denn Wladimir blieb hart.
Sicherheitshalber hielt er die Russin noch am Arm fest. Sie sollte auf keinen Fall einen Fehler begehen. Von den Hyänen lebte keine mehr, ihre Kadaver lagen in der Nähe des offenen Grabs verteilt.
Natürlich hatte Wladimir recht, wenn er die Frau zurückhielt. Der blutige Boris verkörperte das Böse, das Grauen, den perversen Gruß aus dem Reich der Schatten.
Etwas anderes musste dagegengesetzt werden. Das Gute, das Zeichen des Lichts, manifestiert in meinem Kreuz, denn ich war der Sohn des Lichts. Für mich stand auch fest, dass der blutige Boris so einfach nicht aufgeben würde. Er besaß mit seiner Peitsche eine verdammt gefährliche Waffe, die er auch einsetzte.
Bevor ich mich versah, hatte er den Arm hochgerissen, aber die Riemen nicht nach unten geschlagen, sondern in eine kreisförmige Bewegung gebracht, so dass die wie eine glühende Scheibe wirkte, die nicht auf mich niederraste, sondern gegen Wladimir Golenkow zielte, der kaum ausweichen konnte, da er von Olga behindert wurde.
Ich schleuderte mein Kreuz gegen die Gestalt.
Es trat etwas ein, das ich höchst selten erlebt hatte. Mein Talisman schlug einen anderen Weg ein. Er hätte eigentlich die Gestalt in der Mitte treffen sollen. Statt dessen aber drehte er sich um die Flammenpeitsche.
Es entstand ein wahnsinniger, irrer Wirbel aus Feuer und Magie. Da kämpften beide Seiten hart gegeneinander, und dieser furiose Wirbel erleuchtete die Umgebung mit seinem zuckenden Glanz. Was tat mein Kreuz? Sekundenlang waren wir und der blutige Boris zu Statisten verdammt. Dann aber geschah es. Plötzlich jagten die Flammen in die Höhe. Sie huschten am Arm der Gestalt in Richtung Kopf und tanzten plötzlich vor seinem bleichen Gesicht.
Ein röhrender Schrei jagte über den Friedhof. Er war furchtbar anzuhören, drang zwar aus dem Maul des blutigen Boris, mich jedoch erinnerte er an einen Gruß aus der Hölle. So als hätte der Satan persönlich geschrien. Die Gestalt brannte. Eine Flammenwand schoss lichterloh hoch. Sie erfasste auch die Köpfe, die er sich als Trophäen umgehängt hatte, und riss sie ab. Von einem wilden Fauchen begleitet, jagten sie hoch in die nächtliche Finsternis, wo sie plötzlich zu glühen anfingen und dann auseinander krachten wie Explosivgeschosse. Der blutige Boris stand noch. Aber er schrumpfte. Vor unseren Augen sackte er zusammen. Seine Peitsche hielt er noch immer fest. Wir konnten genau sehen, dass sich mein Kreuz mit seiner Kette um die Peitsche geschlungen hatte.
Grell leuchtete es durch den Vorhang aus magischen Flammen.
Boris Barlow stolperte zur Seite. Bei jedem Schritt sackte er ein, fing sich immer wieder und näherte sich plötzlich dem offenen Grab. Noch zwei Schritte, dann geschah es.
Er fiel hinein.
Wir sahen noch, wie er seine Hände in die Höhe riss und sich das Kreuz wie von selbst löste. Fast wäre es mir noch gelungen, es aufzufangen.
Ich bückte mich, nahm es an mich und lief bis zum Grabrand, wo bereits Olga und Wladimir standen.
Zu dritt schauten wir dann in die Tiefe.
Unter uns saß ein Skelett. Der Knochenkörper schwankte. Die Flammen waren erloschen, aber seine verfluchten Gebeine glühten noch in einem düsteren Rot.
Sie glühten und verglühten, denn wenige Augenblicke später fielen sie zusammen.
Rötlicher Staub verteilte sich dort, wo die Leiche des Mannes und die beiden toten Hyänen lagen. Staub, der irgendwann zugeschaufelt werden konnte, so dass nichts mehr an die Zeit des blutigen Boris erinnerte. Nur noch die Legende…
»Ich glaube, wir können jetzt gehen«, sagte ich und drehte mich dann um. Ich schaute nicht nach, ob die beiden mir folgten, hörte aber an ihren Schritten, dass sie es taten…
***
Obwohl mich Wladimir darum bat, wollte ich nicht länger als nötig in Kwitsche bleiben. Mich zog es nach London, denn die Sorge um meinen Freund Suko lastete als schwerer Druck auf mir.
Der KGB-Mann hatte dafür Verständnis. »Was es hier noch zu erledigen gibt, übernehme ich.«
»Das ist gut, danke.«
In Olgas Augen schimmerten Tränen, als ich mich auch von ihr verabschiedete. »Mach es gut, John. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.«
»Kann sein. London ist auch eine schöne Stadt.«
»Ich weiß.«
Sie gab mir zwei
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