0678 - Zeus Anno 3460
glänzen seine Augen. Er wischt sich mit dem Handrücken über die Lippen.
„Und du?" fragt er.
„Wir nennen uns Matten-Willys", antworte ich. „Keiner von uns hat einen Eigennamen. Ich auch nicht."
„Ich werde dich Filz nennen", sagt er nachdenklich. Dann steht er auf, nimmt das Fäßchen in beide Hände und kommt auf mich zu. „Ich habe leider nur Scotch."
Er dreht das Fäßchen, bis die Öffnung weit genug nach unten zeigt, um den Inhalt herauströpfeln zu lassen. Ein paar Tropfen fallen auf meine Haut und sickern ein. Es ist ein angenehmes Gefühl, aber ich habe ein schlechtes Gewissen. Natürlich kommt kein Matten-Willy auf die Erde, ohne sich einmal mit Whisky berieseln zu lassen, aber bei mir geschieht es jetzt schließlich inoffiziell, ohne Zustimmung der anderen.
„Ich wette", sagt Cardok, „das gefällt dir."
Sicher ist es unhöflich, wenn ich jetzt zustimme. Ich lasse die Augen in meinen Körper zurücksinken und mache mich ganz flach, so daß möglichst viele Stellen begossen werden können.
Cardok lacht leise, dann kippt er das Fäßchen völlig herum, so daß der warme Whisky in einem breiten Strahl auf mich herabplätschert. Er hört nicht auf zu schütten, bis das Fäßchen leer ist, dann wirft er es in einen Sessel.
Der Whisky hüllt meine Haut in warmes Feuer, er macht mich träge und leicht zugleich. Ungeheure Gedanken tauchen in meinem Bewußtsein auf. Ich höre Cardok noch einmal kichern, dann verläßt er den Raum. Eine Zeitlang bewege ich mich nicht, Geräusche und Farben dringen mit niemals zuvor erlebter Intensität auf meine Sinne ein.
Ich entwickle einen Pseudoarm und greife nach dem Fäßchen im Sessel. Es ist wirklich leer. Ein paar Minuten später kommt Cardok zurück. Ich mache mir ein Auge und sehe ihm erwartungsvoll entgegen. Er hat offenbar kein Fäßchen mehr bekommen, sondern nur eine Flasche.
„Wohin möchtest du sie haben?" fragt er.
„Überallhin", erwidere ich ungeduldig.
Er entleert sie über mich und sagt entschieden: „Damit ist Schluß, ich will dich schließlich nicht betrunken machen, Filz."
„Matten-Willys werden nicht betrunken!" sage ich. „Ich dachte, Menschen, die auf uns aufpassen, hätten ein bestimmtes Wissen über unseren Metabolismus."
„Ich bin der beste Matten-Willy-Kenner den es gibt, lieber Filz", versichert er. „Deshalb gibt es jetzt auch keinen Whisky mehr."
Das Geschrei wird immer durchdringender. Ich höre unbewußt, daß sich in das Stöhnen und Rufen verletzter Menschen auch das Miauen anderer Matten-Willys mischt. Ich befürchte, daß beim Aufprall des Posbiraumers ein paar Stahlkuppeln geplatzt sind.
Es besteht die Gefahr, daß das Steuerplasma ausgelaufen ist.
Das ist die Wirklichkeit - die schreckliche Wirklichkeit. Ich will sie nicht wahrnehmen, mein Bewußtsein flieht vor ihr, findet Rettung in der Erinnerung.
„Mein Vater lebte zwölf Jahre auf der Hundertsonnenwelt", fährt Cardok fort. „Ich wurde dort geboren und wuchs mitten unter Matten-Willys auf. Ich bin nicht nur Major der Solaren Abwehr, sondern auch Biochemiker und Anthropologe. Jahrelang habe ich mich mit eurer Kultur beschäftigt.
Dann schreit Cardok. „Filz!"
Sein Schreien ist in der Gegenwart, es entreißt mein Bewußtsein allen Träumen von einer Vergangenheit.
Ich mache ein halbes Auge, gerade soviel, um ihn anzusehen.
Wieder trägt er eine versengte Uniform, wenn auch diesmal aus anderen Gründen. Aber er lacht nicht. Sein Gesicht ist verzerrt, es spiegelt Schmerzen und Furcht wider.
Er hat beide Hände gegen die Brust gepreßt. An dieser Stelle ist seine Uniform rot. Er blutet. Er schwankt.
Zwei Tentakel wachsen aus meinem Körper, packen ihn an den Hüften und stützen ihn. Er ist Betreuer der Matten-Willys an Bord von BOX-7149. Er ist der beste Betreuer, den ich jemals kennengelernt habe. Manche nennen ihn grob und roh, aber das ist nur seine Schale. Wir können uns auf ihn verlassen. Nur Menschen können so zuverlässig sein. Cardok ist wuchtig, er hat große Hände und eine dröhnende Stimme.
Weißt du noch, damals im Hotel, als er dich verließ?
Ich vervollkommne mein Auge und sehe Cardok in meinen Tentakeln sterben.
In meinem zukünftigen Leben werde ich noch tausend mal tausend Augen machen.
Aber keines, das weint.
Ich krieche über die schräge Ebene, die einmal ein Korridor war. Etwa zwanzig Matten-Willys folgen mir. Es wird nicht einfach sein, in die Zentrale zu gelangen. Der Korridor ist an vielen Stellen aufgeplatzt,
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