068 - Der Vampir und die Taenzerin
Ort?“
„Ja. Es heißt, die Frauen der Fischer, die aufs Meer hinausgefahren waren, warteten dort auf die Rückkehr ihrer Männer. Und wenn sich der unheimliche Seemann zeigte, wußten sie, daß einer oder auch mehrere nicht mehr heimkommen würden.“
Sie schauderte. „All diese Geschichten sind so gruselig. Glauben Sie daran?“
„Ein Körnchen Wahrheit steckt wohl in jeder. Aber im Laufe der Zeit dichtete der Volksmund sicher, eine Menge dazu.“
„Wenn die ganzen Gespenstergeschichten wahr sind, die man über Collinwood erzählt, muß es ja von Geister hier nur so wimmeln!“
Barnabas lachte. „Sie sollten von allem, was Sie hören, immer nur ein Teilchen glauben.“
„Aber daß Widows Hill Selbstmörder geradezu magnetisch anzieht, das ist doch nicht übertrieben. Selbst einige der Collins sind von dort aus ins Meer gesprungen, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten.“
„Das ist leider richtig“, gab Barnabas jetzt sehr ernst zu.
„Trotzdem werde ich gern mit Ihnen dorthin gehen.“ Barnabas gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit, obwohl er eine Aura ausströmte, die sie nicht erfassen konnte. Es war gut mit ihm zu sein, und er würde ihr sicher einen brauchbaren Rat geben können. Trotz der kurzen Zeit, die sie ihn kannte, betrachtete sie ihn als Freund.
Schweigend wanderten sie zu dem Hügel. Dort ließen sie sich auf der Bank nieder und lauschten den Wellen, die weit unten melancholisch gegen die Felsen schlugen.
Dann kam sie zur Sache. „Kennen Sie Eleanor?“
„Natürlich. Ein ungewöhnlich attraktives Mädchen.“
„Etwas Schreckliches ist ihr zugestoßen. Sie stolperte über die Klippen, möglicherweise stieß sie jemand. Wir wissen noch nichts Genaues. Morgen darf ich sie im Krankenhaus besuchen, vielleicht erfahre ich dann Näheres.“
Barnabas schien den Atem anzuhalten. „Sind Sie sicher?“
„Leider. Aber das ist nicht alles.“
„Was noch?“ fragte er mit heiserer Stimme.
„Sie hatte einen roten Fleck an der Kehle. Ich habe gehört, hier sei das nicht ungewöhnlich. Die Leute bezeichnen es als Vampirmal. Man erzählt, daß schon viele der hiesigen Mädchen ein ähnliches Mal hatten. Sie waren überfallen worden und irrten nachher wie betäubt umher. Es wird angenommen, daß derjenige, der ihr den Fleck beibrachte, Eleanor von den Klippen gestoßen hat.“
„Das glaube ich nicht“, entgegnete Barnabas mit angespannter Stimme.
Diana sah ihn überrascht an. „Wieso nicht?“
Die hypnotisch wirkenden Augen des gutaussehenden Mannes schienen in der Dunkelheit zu leuchten. Er sah Diana eindringlich an, ehe er sie fragte, wie sie darauf käme.
„Ich bin mitten in der Nacht durch die Kapellenglocke geweckt worden. Es muß ungefähr zu der Zeit gewesen sein, als Eleanor ins Meer stürzte. Und soll es nicht Mario Renzies Geist sein, der die Glocke läutet und sich an den Collins rächen will?“
„Eleanor ist keine Collins!“
„Aber ihr Gast. Und das Läuten der Glocke kündigt den Tod an. Es war reines Glück, daß sie mit dem Leben davonkam.“
Barnabas seufzte und legte beide Hände auf den Wolfskopf seines Stockes. „Sind Sie sicher, daß Sie keinen Alptraum hatten und sich das Glockenläuten nur einbildeten?“
„Ich hatte befürchtet, Sie würden mich das fragen.“
„Es wäre immerhin möglich. Träume können sehr real scheinen.“
„Nein“, sagte sie fest. „Es war keine Einbildung. Ich habe die Glocke wirklich gehört. Aber ich habe niemand davon erzählt, weil ich erst hören wollte, was Sie davon halten.“
Barnabas nahm ihre Hand in seine. Diana war einen Augenblick erschrocken über ihre Kälte. Aber sie tat, als fiele es ihr gar nicht auf. Vielleicht litt er an Kreislaufstörungen? Es wäre taktlos gewesen, es zur Sprache zu bringen.
„Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.“ Barnabas neigte den Kopf.
Sie lächelte ihn an. „Ich wußte vom ersten Augenblick, daß ich Sie gut leiden kann. Sie sind ein sehr ungewöhnlicher Mann.“
„Sie haben leider nur zu recht“, sagte er traurig.
„Als ich heute nachmittag zur Kapelle ging“, fuhr sie fort. „Besuchte ich die Gräber Anyas und Marios.“
„Die ich Ihnen zeigen wollte“, unterbrach er sie.
„Es war nicht schwer, sie zu finden. Marios Grab war halb ausgehoben.“
„Wissen Sie genau, daß es sein Grab war?“ fragte er.
„Ja, die Inschrift ließ sich leichter entziffern als auf den meisten anderen Steinen.“ Sie zögerte. „Was meinen Sie? Handelt es sich lediglich um
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