068 - Der Vampir und die Taenzerin
er sie wirklich liebte,
Würde er es sowieso nicht tun. Ach wüßte sie nur mehr über diesen melancholischen Mann und seine Vergangenheit! Eigentlich war es merkwürdig, daß er nie geheiratet hatte. Aber er lebte offensichtlich allein. Trotzdem hatte er gezögert, sie in seine Arme zu schließen. Und zweifelsohne kämpfte er gegen seine Gefühle für sie an.
Ihre Überlegungen wurden durch Stefan unterbrochen, der die Wagentür für sie öffnete. „Darf Eleanor überhaupt schon Besuch empfangen?“ fragte er zweifelnd.
„O ja, ich habe im Krankenhaus angerufen. Der Arzt hatte nichts dagegen.“
Die Augen auf die Straße gerichtet, sagte er: „Recht merkwürdig, was ihr da zugestoßen ist. Überhaupt ist Collinwood ein seltsamer Ort. Ich bin überzeugt, daß noch irgend etwas Schreckliches geschehen wird, ehe wir wieder abreisen.“
Diana seufzte resigniert. „Das höre ich nun schon von mehreren Seiten. Ich hoffe, Sie täuschen sich alle.“
Stefan lächelte. „Sie unterschätzen das Böse, das in Collinwood lauert.“
„Das ist doch alles Unsinn!“
„Mary Wentworth ist anderer Ansicht. Als sie das letzte mal allein in der Kapelle war, sah sie eine flammende gelbe Kugel über die Bühne schweben. Das erzählte sie mir. Sie ist sicher, daß Geister am Werk waren.“
„Oder ihre blühende Phantasie hat ihr einen Streich gespielt.“
„Geben Sie doch zu, daß Sie die Gegenwart des Übersinnlichen genauso fühlen wie wir“, forderte Stefan gereizt.
Vielleicht fühle ich sie noch stärker als ihr, dachte Diana. Aber ich habe keine Lust, mich jetzt darüber zu unterhalten. Laut sagte sie: „Ich mache mir mehr Gedanken um das Ballett, und das sollten Sie auch.“
„Ich habe alles auf Roxanna gesetzt. Und nun glaube ich auch, daß es dank Mary ein Erfolg wird.“
„Schön, daß Sie ihre Anstrengungen endlich würdigen.“
„Sie sind genau wie alle anderen in der Truppe“, sagte er verbittert. „Sie können mich nicht leiden. Nicht einmal meine eigene Schwester mag mich.“
„Aber das ist doch gar nicht wahr! Wir respektieren Sie, wissen jedoch nicht, wie wir mit Ihnen auskommen sollen. Es scheint Ihnen ja offensichtlich Spaß zu machen, schwierig zu sein.“
Stefan fuhr vorsichtig auf der regennassen Straße. „Es macht mir keinen Spaß, schwierig zu sein, wie Sie sich auszudrücken belieben. Meine Arbeit läßt mir nur wenig Freizeit. Komponieren ist nicht so einfach.“
„Das nimmt auch niemand an“, versuchte sie auf ihn beruhigend einzuwirken.
„Leute wie ich führen eine Art Doppelleben. Oft, wenn Sie mich für unfreundlich halten, versuche ich lediglich ein kompliziertes Motiv auszuarbeiten.“
„Das glaube ich Ihnen alles. Trotzdem ist es nicht leicht, eine verständnisvolle Freundschaft für Sie zu hegen.“
Verbittert sah er sie an. „Hassen Sie mich?“
„Natürlich nicht!“ entgegnete sie verdutzt. „Wie kommen Sie darauf?“
„Sie haben nie wirklich versucht, freundlich zu mir zu sein“, sagte er ernst. „Obwohl ich Sie gestern aus dem Keller befreit habe, und mir immer Mühe gab, Ihnen zu zeigen, daß ich Sie mag. Wie zum Beispiel, als ich mich gleich bereit erklärte, Sie nach Ellsworth zu fahren.“
Sie schüttelte verwundert den Kopf. „Für jemand mit Ihrem Talent, haben Sie einen unvorstellbaren Minderwertigkeitskomplex. Bisher ist mir das noch gar nicht aufgefallen. Was wir also für Unfreundlichkeit hielten, war in Wirklichkeit nur Schüchternheit.“
„Glauben Sie, was Sie wollen“, sagte er und brachte den Wagen zum Halten, ehe er auf die Hauptstraße einbog.
„In Zukunft werde ich netter zu Ihnen sein“, versprach Diana.
„Weil ich Ihnen leid tue?“
„Sagen wir lieber, weil Sie sich mir anvertraut haben und ich Sie jetzt besser verstehe. Ich finde Sie nun auch sympathischer!“
„Ein dreifaches Hurra!“ sagte er sarkastisch. „Küssen tun Sie jedoch Barnabas.“
Diana fuhr überrascht zurück. „Offensichtlich hat uns gestern nacht ganz Collinwood gesehen!“
„Als der Engländer Sie nach Hause brachte, holte ich gerade etwas aus meinem Wagen. Ich wollte nicht stören, darum hielt ich mich im Hintergrund.“ Er räusperte sich. „Es geht mich zwar wirklich nichts an, aber Sie sollten vielleicht doch wissen, daß einige der Einheimischen Ihren Galan für einen Vampir halten.“
„Lächerlich!“
„Einer der Burschen in der Taverne versicherte mir ganz ernsthaft, daß Barnabas sich nur deshalb tagsüber nie zeigt, weil er bis
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