0680 - Todeskuß der Schattenhexe
startete.
Hinzu kam das Schicksal seines Freundes John Sinclair. Von ihm hörte und sah er nichts.
Der Staub senkte sich nur schwerfällig. Suko veränderte seine Lage, blieb weiterhin sehr vorsichtig und lugte hinter dem Rand des Schornsteins hervor.
Er sah sie.
Sie bewegte sich selbst wie eine Staubfahne über das Dach. Und sie ging dorthin, wo die Gestalt des Geisterjägers lag. So bewegungslos, als hätte ihn der Tod ereilt.
Suko wartete noch ab. Er wirkte beim Anblick der Frau wie gebannt. Oder war es keine Frau?
Sie hatte einen nackten Körper und hatte ihn trotzdem nicht, denn er befand sich in einer permanenten Bewegung. Aschgrau wie das Gesicht und auch die Haare, durch die allerdings eine violette Strähne fiel wie ein breiter Streifen, als hätte sich diese geheimnisvolle Person bewusst modisch machen wollen.
Sie beugte sich zu John herab. Bänder wie Schlangen umwanden ihre B eine, als wollten sie das Wesen festhalten. Bei der Bewegung fiel auch ihr Haar nach vorn und senkte sich vor das Gesicht.
Mit beiden Händen fasste sie zu. Fast lässig zog sie den regungslosen Körper des Geisterjägers in die Höhe und sprach dabei einen flüsternden, aber entscheidenden Satz.
»Jetzt werde ich dir den Todeskuss geben…«
***
Nicht allein Suko hatte dieses grausame Versprechen gehört, auch an meine Ohren war es geklungen.
Ich befand mich dabei in einem verdammten Zustand. War nicht voll da, aber auch nicht bewusstlos. Es kam mir vor, als würde ich in einem Zwischenstadium leben, einfach wie ausgeknockt, ohne die eigenen Kräfte. Natürlich hielt ich die Augen noch offen. Ich wollte nicht allein hören, auch sehen können, wer mich da in ein Knochengebilde verwandeln wollte.
Die Schattenfrau konnte dreidimensionale Grenzen überwinden. Aber sie war nicht allein Geist, was der Griff dicht unter meinem Hals mir zeigte. Sie bestand sicherlich nicht aus Fleisch und Blut, möglicherweise aus einem anderen »Material«, aber sie war von einem Dämon oder einer schwarzmagischen Kraft geschickt worden.
»Ich lasse mich nicht aufhalten. Ich werde bald an der Seite des Vampirs sein…«
Von mir erhielt sie keine Antwort, da ich mich auf ihr Gesicht konzentrierte.
Es fiel mir nicht leicht, es zu beschreiben. Es war grau, flach, gleichzeitig irgendwie metallisch.
Eine sehr kurze Nase, dafür hoch stehende Wangenknochen, der relativ kleine Mund, dann das vorspringende Kinn der Person.
Alles sehr ungewöhnlich, aber nicht uninteressant, wie ich meinte. Sie strahlte eine gewisse kalte Erotik aus, die sicherlich ihre Wirkung auf manche Männer nicht verfehlte.
In den Augen las ich den Willen zur Vernichtung. Töten durch einen Kuss.
Ein verrücktes, gewagtes Sterben, doch sie hatte vorgemacht, wie es klappte.
»Warum?«, flüsterte ich. »Warum willst du mich töten? Warum hast du die anderen getötet?«
»Ich sauge ihre Seelen in mich ein. Erst dann bin ich wieder vollkommen. Man hat mich bei lebendigem Leibe eingemauert, aber man hat nicht bedacht, dass es noch Kräfte gibt, die sich auch um Personen wie mich kümmern.«
»Asmodis?«
»Fast richtig. Aber es ist Astaroth, der mir die Chance einräumte, wieder unter die Lebenden zu treten und das Schattendasein hinter mir zu lassen. Begreifst du das? Ich werde wieder so sein, wie ich einmal gewesen bin. Nur viel stärker, und dann werde ich zu dem gehen, der mich hat rufen lassen.«
»Er ist ein Vampir!«, keuchte ich, um Zeit zu gewinnen. Ich hoffte noch auf Suko.
»Ja, das ist er. Es kommt nicht darauf an, wer was ist, sondern was man ist. Der Vampir ist ungemein stark, er wird in der Zukunft Zeichen setzen.«
Ob das alles so stimmte, wusste ich nicht. Jedenfalls arbeitete Mallmann darauf hin, und ich erlebte eine neue Variante, durch die er versuchte, seinen Einfluss zu vergrößern.
»Der Kuss«, sagte sie, »ist wichtig. Er kann alles bedeuten. Leben und auch Tod. Für dich wird er den Tod bedeuten, denn deine gefährliche Waffe befindet sich nicht mehr in deinem Besitz. Ich habe mitbekommen, wie sehr du dich wehren konntest, und ich musste all meine Kräfte einsetzen, um dich auszuschalten. Wer einmal in der Mauer steckte, dem wird auch die Kraft gegeben, sie wieder verlassen zu können. Der kennt keine Hindernisse mehr…«
Das nahm ich ihr unbesehen ab. Ich fragte mich nur, wie ich aus dieser Lage herauskommen sollte.
Einfach den Griff sprengen? Darauf würde sie gefasst sein und es zu verhindern wissen.
Wie dann?
Sie drückte ihr Gesicht
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