0680 - Todeskuß der Schattenhexe
es sowieso fast unmöglich geworden, mit dem Wagen zu fahren. Es hatte Bombenanschläge der IRA gegeben. Deshalb waren zahlreiche Straßen abgesperrt worden. Besonders einige um den Hauptbahnhof Victoria Station.
Dem Prediger machte dies nichts aus. Er fühlte sich in seiner Rolle wohl. Ab und zu hörten wir aus dem Fond ein Gluckern, wenn er mal wieder einen Schluck trank.
»Ich gehe aber nicht mit«, sagte er irgendwann.
»Wie meinst du das?«
»In den Schacht.«
»Ist nicht deine Welt, wie?«, grinste Suko.
»Genau. Schließlich weiß ich ja, was ich wert bin. Ich bin kein Mann für die Röhre.«
Wir mussten lachen. Der Prediger gefiel uns beiden. Er hatte sich trotz seines außergewöhnlichen Lebens seinen eigenen Stil bewahrt. Das hob ihn sogar von der Masse ab.
Auch auf den Bahnhof von Paddington war ein Anschlag verübt worden. Es liefen noch zahlreiche Polizisten durch die Gegend. Auch wir wurden einmal kontrolliert, konnten aber sehr bald weiterfahren.
»Die Leute sind nervös«, sagte Suko.
»Ist das ein Wunder?«
»Bestimmt nicht. Ich hasse diese rücksichtslose, heimtückische Art der Terroristen. Das ist feige, so verflucht hinterhältig.«
Da konnte ich nicht widersprechen. Wir rollten an der Kneipe vorbei, in der Suko gehockt und ein Mineralwasser getrunken hatte. Wenig später musste ich das Lenkrad einschlagen, um auf das verwilderte Grundstück zu fahren.
Wege gab es nicht, nur Spuren im Schnee. Wir blieben darin, und der Prediger hatte wieder seinen Spaß. »Mann, das ist stark. Endlich werde ich mal mit dem Wagen zu meinem home gefahren. Danke, Freunde.«
Wir lachten beide. Genau dort, wo wir die Fledermaus erledigt hatten, stellte ich den Rover ab. Es war etwas wärmer geworden, der Nachmittag sah direkt freundlich aus. Er vermittelte uns einen ersten Hauch von Frühling, obwohl der Frost den Boden noch gefroren hatte.
»Und wo ist es?«, fragte ich.
Der Prediger trank einen Schluck Bier und schaute sich dabei um, ohne die Flasche von den Lippen zu nehmen. »Hinten«, erklärte er.
»Das heißt, wir müssen um das Gebäude herum.«
»Ja, so ist es.«
»Dann komm.«
Er ging neben uns her, summte ein Kirchenlied und schien sich wieder an die alten Zeiten zu erinnern. Unter unseren Füßen knackten die harten Zweige. Sicherheitshalber hatten wir einen Kanterhaken mitgenommen, um den Deckel anheben zu können. Seine Ränder waren sicherlich vereist.
Die Befürchtung traf nicht zu, denn der Eingang lag genau im Schein der Sonne.
»Hier ist es!« Der Prediger schritt um den runden Gullydeckel herum, als wäre er ein Schauspieler auf der Bühne.
Ich hatte mich schon gebückt und untersuchte ihn. Es war kein normaler Gullydeckel, denn er hatte keine Löcher, durch die Wasser fließen konnte. Der war sicherlich gebaut worden, um einen bestimmten Schacht zu verdecken.
»Was sagt ihr?«
»Wir werden ihn anheben.«
»Na ja, viel Spaß.«
»Willst du hier warten?«, fragte ich.
Der Prediger überlegte, bevor er den Kopf schüttelte. »Nein, ich schaue mich im home um.«
»Das ist leer, fürchte ich.«
»Na und?« Er grinste schief. »Mal was anderes.« Dann sagte er noch: »Und passt auf eure Knochen auf. Ich habe keine Lust, sie zusammenzufegen.«
»Werden Wir.«
Der Prediger winkte mit der Flasche, bevor er verschwand. Suko schüttelte den Kopf.
»Ein komischer Kauz.«
»Aber nicht übel.«
»Das meine ich auch.«
Die eine Seite des Kanthakens konnten wir auch als Hebel benutzen und setzten ihn zwischen Erdreich und Rand an. Gemeinsam stemmten wir uns dagegen und schafften eine gewisse Lücke, die allerdings noch nicht ausreichte.
Zweimal fassten wir nach, dann war es geschafft.
Wir schauten beide in den Schacht und entdeckten auch die Steigeisen an der Innenwand.
»Wer zuerst?«, fragte Suko.
»Du!«
»Bitte, ich bin ja nicht so.« Tatsächlich machte er sich an den Abstieg. Ich folgte ihm wenig später hinein in eine andere, düstere und tiefe Welt…
***
Hinter einem gefrorenen Busch, der aussah wie ein kleines Kunstwerk aus Eisstäben, das nicht auftaute, weil es im Schatten lag, blieb der Prediger stehen.
Er wollte sehen, ob die beiden Polizisten es tatsächlich schafften, den Gully in die Höhe zu bekommen und in den Schacht zu klettern. So genau wusste er auch nicht über den ersten Keller Bescheid.
Er war nur deshalb davon ausgegangen, dass es ihn einfach geben musste, weil der Schacht eben so tief in den Boden hineinführte und ein schmaler Gang vor
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