0680 - Todeskuß der Schattenhexe
besser gewesen.«
»Möglich. Gleichzeitig aber hätten wir den Prediger in Verlegenheit gebracht, falls es eine Falle ist. Er soll ja glauben, dass wir ahnungslos sind.«
Unten im Flur blieben wir an der Treppe stehen. »Wenn möglich, werde ich mich verstecken, John, und dir den Rücken decken. Bist du damit einverstanden?«
»Da oben liegt genug Geröll und Schutt.«
»Gut, abgemacht.«
Er ließ mir den Vortritt und wartete, bis ich einige Stufen gegangen war.
Allmählich war der hier herrschende Geruch schon zu einem alten Bekannten geworden. Besonders in der ersten Etage, wo die Stadtstreicher gehaust hatten. Hier hatte die Kälte den Gestank nach menschlichen Ausdünstungen nicht vertreiben können.
Der Weg in die zweite Etage glich schon einer kleinen Kletterei, weil auf den Stufen Schutt lag, wie auf dem Weg in die dritte Etage.
Als graue, kantige Haufen verdeckte er den größten Teil der Stufen. Ich musste auf alle Viere nieder, um mich über den Berg hinwegzuquälen. Durch die offenen Fensterluken fuhr der Wind, und manchmal wirbelte er auch kleine Staubwolken auf.
Diese Etage war beim Abbruch der beiden Trakte am meisten in Mitleidenschaft gezogen worden.
Es sah aus wie in einer Stadt, wo Krieg geführt wurde. Die Wände wiesen an einigen Stellen armdicke Risse auf und schienen den nächsten Orkan nicht überstehen zu können.
Ich kletterte trotzdem weiter. Suko war noch hinter mir. Bei meinem Blick zurück winkte er beruhigend ab.
Mit allerlei Mühe erreichte ich schließlich das Ziel und stellte fest, dass ich durch den Gang kaum gehen konnte. Wie war der Prediger in das Zimmer gelangt?
Ich rief nach ihm.
Eine Antwort erhielten wir nicht. Der Wind wehte unsere Worte in den Tag hinein.
»Und jetzt?«, fragte Suko. »Der scheint uns reingelegt zu haben.«
»Fragt sich nur, ob er das freiwillig tat.«
»Hier bin ich!«, schrie der Prediger. »Hier auf dem Dach. Kommt her, es ist ein besonderer Fleck.«
»Der ist verrückt!«, flüsterte Suko.
»Warum kommst du nicht zu uns, Prediger?«, schrie ich. »Verdammt, wir wollen wieder fahren!«
»Ohne die Gebeine?«
»Wo sind sie?«
»Bei mir. Kommt her und schaut sie euch an. Ihr werdet euch bestimmt wundern.«
»Eine tolle Falle«, sagte Suko und schüttelte den Kopf.
»Trotzdem werde ich hingehen.«
»Habe auch nichts anderes erwartet.«
»Kommt ihr?«
»Klar, Prediger, ich komme. Bleib nur dort oben. Das bin ich dir schuldig.«
Es wurde ein mühevoller Weg, dessen größte Strecke ich auf Händen und Füßen zurücklegte. Der Staub wirbelte in die Höhe, er kratzte in meiner Kehle. Ich musste einfach husten, spürte den Kälteschub wie eine flatternde Fahne in meinem Gesicht und blickte gegen die Decke.
Die gab es nicht mehr.
Wo sie einmal gewesen war, befand sich ein großes Loch. Ich konnte das Dach auch ohne Leiter erreichen, denn die Wand war an der linken Seite teilweise eingebrochen, und die Lücke hatte sich durch Zufall so gebildet, dass sie aussah wie eine Treppe.
Über sie kam ich glatt hinweg.
Von dem Prediger hatte ich noch nichts gesehen. Dafür blieb Suko stehen und hob nur den Daumen.
Ich balancierte geduckt über eine schmale Kante und schob mich vor, bis ich das Dach erreichte.
Ein sehr kalter und zugiger Ort, denn auch die noch stehenden Kamine hielten den Wind nicht ab.
An einem von ihm stand der Prediger. Das Gebilde hinter ihm überragte ihn um Kopfeslänge. Es war kantig und aus feuerfesten Ziegeln gemauert. Er winkte mir zwar zu, ich ging trotzdem nicht weiter, sondern fragte nach den Knochen.
»Die habe ich hinter mir.«
»Dann hol einen.«
»Nein, ich will sie nicht anfassen. Ich - ich habe Angst, verstehst du das, John?«
Ich verstand ihn und lächelte kalt. Ich hatte mich auch umgeschaut, aber von der Schattenfrau sah ich nichts.
»Gut, mein Freund, ich werde bald bei dir sein.« Das Kreuz steckte in der Tasche, in der jetzt meine Hand verschwand. Ich wollte den Prediger mit einem Trick aus der Reserve locken.
Er erwartete mich.
Der Weg von mir zu ihm war nicht weit. Ich ließ mir trotzdem Zeit und beobachtete ihn genau.
Er machte einen ruhigen und gleichzeitig nervösen Eindruck. Zwar stand er auf der Stelle, aber er zwinkerte immer wieder mit den Augen, als wollte er sie vor meinem Anblick verschließen, der ihm unerträglich geworden war.
»Kannst du mir denn sagen, wer es wohl ist, dessen Knochen du gefunden hast?«
»Nein, weiß ich nicht.«
»Okay.« Ich hatte das Wort kaum
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