0688 - Der Kult
nachdachte, so glaubte er auch, sie identifiziert zu haben.
Es war ein Wesen aus der alten javanischen Mythologie! Eines, das zu den bösen, den gefährlichen zählte, das nur hervorkam, wenn es darum ging, zu bestrafen und zu töten.
War es der Schwarze Prinz gewesen?
Er kannte die Legenden sehr gut, die sich um diese Figur rankten. Der Schwarze Prinz gehörte zu den Mördern, zu den bösen Gestalten, zu den Knechten der Unterwelt. Man sprach nur mit großer Angst und Sorge von ihm.
Vergessen war die Blonde, vergessen waren auch die Drinks. Er mußte so rasch wie möglich weg und sich auch um seine Wunde kümmern. Er brauchte ein großes Pflaster oder einen Verband, denn die Blutung war noch nicht gestoppt worden.
Glücklicherweise sparte der Wirt mit dem Licht. Fahran hoffte, daß er nicht auffiel, wenn er durch die Kneipe ging und in der Nacht verschwand. Gezahlt hatte er schon.
In dem kleinen Raum stand die Luft. Es waren wieder neue Gäste hinzugekommen. Alle Hautfarben trafen sich hier. Man trank, man tanzte, man konnte sich hier ein Mädchen holen, man betrank sich auch bis zum Exzeß.
Er hatte normal gehen wollen, doch es war mehr ein Taumeln, als er sich den Weg bahnte.
Einige Typen schauten ihn an. In ihren Gesichtern lag oft ein müdes Grinsen, manchmal auch Aggressivität, aber niemand hielt ihn auf. An der Tür schob er eine Schwarze zur Seite. Als er dabei gegen ihre Brüste griff, kreischte sie. Sie hatte unter einer bunten, sich drehenden Lampe gestanden, die über ihr Gesicht und den Körper ein Spiel aus Farben verteilte.
Endlich war er draußen!
Die Luft stank wie fast überall im Hafen. Er atmete dennoch tief durch, weil ihm schwindlig geworden war. An einer Mülltonne blieb er stehen und setzte sich auf den Deckel.
Im Nacken tobte der Schmerz. Als er wieder hinfaßte, hatte das herausquellende Blut bereits den Rücken erreicht und dort das Hemd verklebt. Ein widerliches Gefühl…
Hinzu kam das Brennen. Die Wunde war tief geworden, die Waffe hatte fast die Sehnen erreicht.
Fahran erinnerte sich an die Waffe des Schwarzen Prinzen.
In der Mythologie war sie als ein Sägeschwert beschrieben worden. Und genau das hatte ihn erwischt.
Ein Geist, der existent war?
Er wollte nicht mehr darüber nachdenken, sondern nur in seine Bude, die nicht mehr war als ein Taubenschlag, der zur Hinterhofseite lag und als Anbau an die normale Rückfront gemauert worden war.
Ein Taxi wollte er nicht nehmen, er wollte auch keinen Bullen sehen, der ihn angehalten und irgendwelche Fragen gestellt hätte. Für ihn war es wichtig, möglichst rasch zu verschwinden.
Und so taumelte er weiter.
Das Pflaster war nie glatt. Unterschiedlich hoch stand es hervor, an manchen Stellen war es aufgerissen. Die Gasse kam ihm vor wie ein langer Tunnel, an dessen Ende sich der Schlund öffnete, der ihn direkt in die Hölle hineinführte.
Als er das Haus erreichte, drückte er sich in einen schmalen Durchlaß an der linken Seite.
Zwei Penner lagen auf dem Boden, eingewickelt in schmutzige Schlafsäcke. Er stieß gegen sie, machte sie wach und hörte ihr Fluchen, das ihn bis an die Treppe begleitete, die an der Rückseite zu seinem Taubenschlag hochführte.
Es war eine Eisentreppe, aus zwei Feuerleitern zusammengeschustert. Sie endete an einem Podest, das kaum breiter war als eine Fußbank. Die Tür war verschlossen. Er öffnete sie, drückte die Eisenklinke und stolperte in sein Zimmer.
Der Anbau bestand aus einem Raum, besaß ein Fenster und war relativ groß.
Sofa, Schrank und Waschgelegenheit waren vorhanden. Für eine Dusche war kein Platz. In der Ecke stand eine Sitzbadewanne aus Zink. Sie war museumsreif und zeigte auf der Innenseite helle Streifen.
Kulani zerrte sich die Kleidung vom Körper. Nur seine Hose ließ er an, Hemd und Unterhemd schleuderte er in die Ecke, bevor er mit nacktem Oberkörper zum Spiegel lief, davor stehenblieb und sich so drehte, daß er einen Teil des Nackens sehen konnte.
Er fluchte, als er die Wunde sah.
So lang und tief hatte er sie sich nicht vorgestellt. Die Waffe mußte schon bei der Bewegung tief in das Fleisch seines Halses eingedrückt worden sein. Aber das war so gut wie unmöglich. Ein Schatten konnte nicht verletzen oder töten.
Auch der Schwarze Prinz nicht?
Er drehte das Wasser an. Es floß nicht sehr stark, außerdem wackelte der Griff. Kulani suchte ein Handtuch und besah sich noch einmal genau im Spiegel.
Sein Gesicht bot einen Anblick, vor dem er sich erschrecken
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