0688 - Der Kult
und von dem Scherenmann nur mehr eine Hälfte. Aber sie waren gefährlich, auf Tod programmiert, den alten, grausamen Gesetzen des Kults gehorchend.
Zugleich schlugen sie zu!
***
Es war ihr Fehler. Beide konnten es nicht erwarten, den Mann zu töten, und der handelte eiskalt.
Beide Waffen, die auf ihn zuhuschten, lagen dicht zusammen. Darin erkannte Bogan seine Chance.
Er schleuderte ihnen die Figur entgegen, hoffte auf die Gegenkraft der toten Zauberin Ki-Laana und sah, wie sie auch getroffen wurde. Genau in dem winzigen Augenblick, als die Schattenwaffen mit ihr Kontakt bekamen, materialisierten sie sich auch, und sie hieben die sorgfältig geschnitzte Figur entzwei.
Magie gegen Magie.
Sie konnten nicht gewinnen. Das Böse unterlag mit krachenden Geräuschen.
Die Waffen behielten die feste Form, aber sie konnten nicht länger dreidimensional bleiben. Als sie den Boden berührten, da waren sie bereits brüchig und brachen auseinander.
In dieses Geräusch mischte sich ein furchtbares Stöhnen. Es riß Bogan Kulani aus seiner momentanen Starre. Er blickte nach links und sah seinen Bruder.
Dabei hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Bogan konnte nicht hinschauen. Er stolperte in den Gang hinein, ohne sich dessen bewußt zu werden. Seine Gedanken drehten sich um die Familie, dann stoppten ihn vier Hände, die sich auf seinen Schultern verteilt hatten.
Er schaute hoch.
Zwei fremde Gesichter sahen ihn an.
***
Suko und ich hatten den alten Mann festgehalten. Er mußte Schlimmes durchgemacht haben. In seinen Augen lasen wir das Grauen, als hätte er eine Erinnerung aus den Tiefen der Hölle mitgenommen.
»Sie leben«, sagte ich. »Sie leben, hören Sie!«
»Ich weiß nicht…«
»Kommen Sie!«
Wir mußten ihn zwischen uns nehmen, als wir nach oben gingen. Das heißt, Suko blieb nach einigen Schritten stehen, er wollte sich im Keller umschauen und überließ mir den Mann.
Im Flur standen Menschen. Wie hingezaubert waren sie auf einmal da, schufen Platz, und ich schob Bogan Kulani durch diesen künstlichen Tunnel.
Inder offenen Wohnungstür stand die junge Frau und zitterte. »Ich habe den Arzt alarmiert«, sagte sie mit einer roboterhaft klingenden Stimme. »Er kommt…«
»Danke.«
Dann fiel sie dem alten Mann um den Hals. Sie konnte einfach nicht fassen, daß er noch lebte.
Ich durchquerte den großen Raum.
Beide Männer waren verletzt, aber nicht bewußtlos. Sie wimmerten leise unter ihren Schmerzen. Ich redete beruhigend auf sie ein, bevor ich an das Fenster mit der zerstörten Scheibe trat.
Draußen breitete sich die Dämmerung wie ein schmutziges Tuch am Himmel aus. Sie ließ diese Gegend, in der die drei riesigen Baracken standen, noch grauer und trostloser erscheinen.
Die Menschen vor den Häusern sahen aus wie düstere Gespenster. Kaum jemand sprach. Obwohl keiner wußte, was geschehen war, spürten sie, daß der Tod dieses Haus gestreift hatte.
Ich wandte mich erst ab, als ich die Sirene des Notarzt-Wagens hörte. Viel hatten wir nicht tun können, ein anderer Mann war über sich selbst hinausgewachsen.
Ich dachte an die toten Schafe und Ziegen und daran, daß noch viele Fragen offenstanden.
Ich würde Antworten bekommen, dessen war ich mir sicher…
ENDE
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