069 - Der Vampir von Venedig
stören überhaupt nicht", gab Griet zurück. Auch sie hatte bereits ihr Quantum Wein getrunken und fand diesen förmlichen Fremden ganz amüsant, zumindest ungewöhnlich.
„Sie haben sich da aber einen schlechten Wein verkaufen lassen", redete der Fremde weiter und schüttelte fast vorwurfsvoll den Kopf.
„Unsere Millionen können wir erst morgen postlagernd abholen", schaltete sich jetzt Johan Douwen ironisch ein.
„Ich verstehe." Der seltsame Fremde nickte und lächelte dünn. „Wollen Sie so lange warten? Wissen Sie was, ich lade Sie ein."
„Sie sind 'n Menschenfreund, wie?" Johan Douwen war kaum zu beeindrucken.
„Das kann man allerdings sagen." Der Seltsame lächelte rätselhaft.
„Sie laden uns ein?"
Griet Heeren war praktisch veranlagt. Gegen eine Einladung hatte sie nichts. So etwas schonte ihre mehr als schmale Reisekasse. Was sollte schon passieren? Gut, der Mann vor ihr strahlte zwar keine Lebensfreude aus, doch er schien Geld zu haben. Zudem war ja Johan bei ihr. Und Johan wußte schon, wie man sich seiner Haut zu wehren hatte, wenn es darauf ankam.
„Mein Haus ist nicht weit von hier", stellte der Fremde beiläufig fest. Mit seiner rechten Hand wies er vage hinüber auf die andere Kanalseite.
Könnte man bei Ihnen vielleicht auch übernachten?" erkundigte sich Johan Douwen.
„Es wird sich bestimmt etwas finden", antwortete der Fremde und schien Sekunden später mit einer aufkommenden Schwäche zu kämpfen. Er taumelte kaum merklich, hielt sich an der Steinbrüstung fest, schloß die Augen und atmete tief und schwer.
„Ist Ihnen nicht gut?" fragte Griet Heeren und erhob sich.
Als sie dicht neben ihm stand und seine Schulter berührte, ging ein Zittern durch seinen hageren Körper. Langsam öffnete er wieder die Augen und sah sie aus brennenden Augen an.
„Es ist schon vorüber", entschuldigte sich der Fremde und bemühte sich um ein Lächeln, das aber verkrampft ausfiel. Er wich vor Griet zurück, schien der Berührung ausweichen zu wollen.
„Wir sollten Sie in Ihr Haus bringen", bot Johan Douwen an, wobei er seiner Freundin zunickte. Der Fremde nickte und hob dann winkend den Arm. Auf dieses Zeichen schien eine Gondel nur gewartet zu haben. Sie kam aus einem Seitenkanal und glitt an die Kanalmauer heran. Es handelte sich um eine schwarze Gondel, die von einem jungen Mann gerudert wurde, der eine Lederhose trug und nicht zur Gilde der offiziellen Gondolieri gehörte; er hatte nicht den quergestreiften Pullover an, das Wahr- und Markenzeichen dieser Zunft. Er half dem Fremden ins Boot und machte dabei einen fast unterwürfigen Eindruck. Um die beiden Gäste seines düsteren Herrn kümmerte er sich nicht weiter.
„Wie finden wir denn das?" fragte Johan leise seine Freundin. Er wußte wirklich nicht, was er von dieser Einladung halten sollte. Ihm waren erste Bedenken gekommen.
„Verschwinden können wir immer noch", erwiderte sie leise. „Warten wir doch ab, Johan!"
Sie überquerten den Canale Grande und steuerten in einen Seitenkanal hinein. Ihr Gastgeber schien sie inzwischen vergessen zu haben. Er war in der kleinen, verhängten Kabine, die sich knapp vor ihrem Sitz befand, verschwunden.
Erstaunlich schnell glitt die Gondel durch den engen Seitenkanal, wich entgegenkommenden Booten geschickt aus und bog dann ab in einen noch engeren Kanal. Von festlicher Beleuchtung war hier nichts mehr zu sehen. Die engen Häuser wuchsen aus dem Wasser empor, Häuser, die kaum bewohnt sein konnten; Licht war hinter den kleinen Fenstern nämlich nicht zu sehen.
Griet Heeren zuckte zusammen, als der Gondoliere hinter ihnen auf dem Heck des Bootes leise zu singen begann. Es war kein fröhliches Lied; es klang schwermütig, erinnerte fast an einen getragenen Trauergesang.
„Hebt die Stimmung ungemein", spöttelte Johan Douwen leise.
Er fühlte sich unbehaglich, wäre am liebsten mit seiner Freundin ausgestiegen. Die aus dem Wasser ragenden Hauswände ließen das jedoch nicht zu. Noch mußten sie notgedrungen in der Gondel bleiben.
Endlich war Licht zu sehen. Hinter den Fenstern eines schmalbrüstigen Hauses lebten Menschen. Als die Gondel sich diesem Haus aber näherte, als die klagende Melodie des Gondoliere im Haus zu hören war, ging darin schlagartig das Licht aus. Johan und Griet hörten deutlich, wie die hölzernen Blendläden hastig geschlossen wurden.
Dorian Hunter war es halbwegs gelungen, die Gondel zu dirigieren. Die Handhabung dieses Wasserfahrzeugs hätte er sich niemals
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