069 - Der Vampir von Venedig
war es gelungen, den magischen Bann zu lösen. Er nickte Siegfried Gruber beruhigend zu, als dessen Frau nun aufschluchzte und nach ihren Schläfen griff. Sie schien aus einem tiefen Alptraum erwacht zu sein, drehte sich zu ihrem Mann um und streckte hilfesuchend ihre Arme nach ihm aus.
Er zog sie an sich und redete beruhigend auf sie ein. Hunter legte die Silberkette mit der gnostischen Gemme wieder um. Er hatte dem unheimlichen Vampir ein potentielles Opfer genommen.
„Darf ich jetzt Ihren Hals sehen?" fragte er Christa Gruber sachlich.
Sie sah ihn verwirrt an, nickte dann zögernd und band den langen Schal ab. Hunter beugte sich vor und vergewisserte sich, daß nicht die Spur einer noch so kleinen Bißwunde zu erkennen war. Dann lehnte er sich zurück und lächelte das verwirrte Ehepaar an.
„Später werde ich Ihnen alles erklären", sagte er. „Im Augenblick würde Sie, das überfordern. Sie müssen Vertrauen zu mir haben. Und jetzt beschwöre ich Sie, das Hotelzimmer nicht mehr zu verlassen! Nein, reisen Sie auch nicht ab. Dazu ist es jetzt schon zu spät. Bleiben Sie im Hotel! Um jeden Preis! Und reden Sie mit keinem Menschen über diese Vorkommnisse! Man würde Ihnen doch nicht glauben."
„Ich - ich habe Angst", flüsterte Christa Gruber. „Etwas Unheimliches belauert uns, Siegfried."
„Ich spür's auch", gab er leise zurück. „Ich spüre es ganz deutlich."
„Verschließen Sie Fenster und Türen. Lassen Sie keinen Fremden ins Zimmer!" beschwor Hunter das junge sympathische Ehepaar. „Ich glaube, daß morgen bereits alles vorüber ist. Ich werde mich auf jeden Fall bei Ihnen melden."
Hunter wartete, bis das Ehepaar auf der Treppe nach oben verschwunden war. Am liebsten wäre er nachgeeilt und hätte sich vergewissert, daß die Zimmertür auch wirklich verschlossen war. Er beglich die Rechnung und verließ das Hotel. Als er ins Freie trat, spürte er sofort, daß er beobachtet und belauert wurde. Der Vampir mußte sich ganz in der Nähe befinden, oder auch seine Helfershelfer.
Der Dämonenkiller griff schutzsuchend nach seiner Gemme und schritt zum Gehsteig hinüber. Er wollte zur nahen Rialto-Brücke, um von dort aus zu seinem Hotel zu gehen. Dorian hoffte, daß Emilio Grassi sich inzwischen eingefunden hatte. Der Venezianer war sicher zu einem Entschluß gekommen.
Als Hunter in den Schatten eines Hauses trat, stießen plötzlich oben von den Fenstern her kleine Fledermäuse auf ihn herunter. Sie gaben spitze Laute von sich, die furchterregend klangen. Normalerweise hätten Fledermäuse solch einen Angriff niemals gewagt. Das hier aber war ein echter Angriff, wütend und gezielt.
Hunter duckte sich schnell und lief zurück ins Licht. Da drehten die kleinen unheimlichen Angreifer ab und segelten in einer Art Torkelflug davon.
„Ich springe gleich ins Wasser", sagte Griet Heeren. Sie meinte es vollkommen ernst. Griet hatte das Gefühl, einem Irren auf den Leim gegangen zu sein. Sie drehte sich um und sah zu dem Gondoliere hoch. Er reagierte nicht darauf, sang leise weiter und bugsierte die Gondel mit geschickten Ruderschlägen auf einen Torbogen zu, der sich über den schmalen Kanal spannte.
„Keine Sorge", flüsterte Johan Douwen. „Uns passiert schon nichts."
Um sie zu beruhigen, griff er in die Innentasche seines Parka. Sie wußte, daß sich dort ein Springmesser befand, aber ruhiger wurde sie nicht. Warum ließ ihr Gastgeber sich nicht sehen? Warum hatte er sich in die zugedeckte Kabine zurückgezogen?
Wenige Sekunden später vergaß die junge Holländerin ihre Angst und staunte nur noch. Ihrem Freund erging es kaum anders. Er erhob sich und sah auf die Front des Palazzo, der hinter dem Torbogen andeutungsweise in der Dunkelheit zu erkennen war. Als die Gondel durch den Torbogen fuhr, flammten plötzlich Lichter links und rechts vom Portal des Palazzo auf. Das magischrötliche Licht erhellte die Front der Fenster und Balkone, ohne jedoch Einzelheiten erkennen zu lassen. Die Gondel schwang herum und schob sich an die breite Treppe heran.
Johan Douwen ging auf die geschlossene Kabine zu. Er wollte nach ihrem Gastgeber sehen. Der junge Mann in Lederhosen aber stand bereits auf der Treppe und schüttelte den Kopf. Er deutete einladend auf den Eingang, dessen Türen sich öffneten.
„Der Herr wird nachkommen", sagte der Gondoliere. „Folgen Sie mir l"
„Laß uns abhauen", flüsterte Griet ihrem Freund zu. „Das sieht j a irre aus."
„Nur nichts überhasten", meinte Johan, der
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