069 - Die Leiche aus der Kühltruhe
klappte
die Motorhaube in die Höhe, fummelte an den Kerzen herum, überprüfte den Sitz
einiger Kabel und untersuchte die Lichtmaschine. Aber dadurch ließ sich kein
Motorschaden beheben.
»Das kann
heiter werden«, murmelte die schlanke Neunzehnjährige. Sie warf einen Blick auf
ihre Armbanduhr. Es war wenige Minuten nach zehn. Um diese Zeit war nicht mehr
damit zu rechnen, daß sie auf dieser Strecke noch einem Greyhound-Bus
begegnete, der sie eventuell aufnahm.
Bis zum
Rasthaus waren es aber immerhin noch fünfzig Meilen.
Gottverlassen
war die Umgebung. Sandy hielt Ausschau nach einem Lichtpunkt. Aber so weit ihr
Auge reichte, war das Firmament dunkel.
Ratlosigkeit
und Angst erfüllten sie. Sie war nicht gern allein.
Sie warf
einen Blick auf den Chevrolet, stieg wieder in den Wagen und versuchte erneut,
ihn zu starten. Doch es geschah kein Wunder.
Schon seit
Wochen wußte sie, daß der Kilometerstand des Chevys eine Höhe erreicht hatte,
bei der damit zu rechnen war, daß über kurz oder lang eine größere Reparatur
fällig sein würde. Aber sie hatte nicht erwartet, daß ein Defekt ausgerechnet
zu nachtschlafender Zeit auftrat – noch dazu in so einsamer Umgebung.
Mürrisch
schloß Sandy den Chevy ab und machte sich dann zu Fuß auf den Weg, in der
Hoffnung, eventuell doch noch auf einen freundlichen Autofahrer zu stoßen, der
unterwegs war und sie mitnahm.
Ruhe und
Einsamkeit umgaben sie. Sandy Jovlin war allein mit sich und ihren Gedanken.
Ihre Schritte
waren auf dem staubigen Straßenbelag kaum zu hören.
Immer wieder
blickte sich das Mädchen um. Der abgestellte Chevy fiel zurück und war bald nur
noch ein dunkler Buckel in der Finsternis, der schließlich mit dem Dunkel
verschmolz.
Sandy fühlte
sich nicht wohl in ihrer Haut. Es kribbelte in ihrem Nacken. Das Gefühl, daß
sie beobachtetet wurde, war plötzlich wieder da.
Es ist
nichts, versuchte sie sich einzureden, und es wurde ihr nicht bewußt, daß sie
ihre Schritte beschleunigte.
Sie nahm sich
vor, zum Wagen zurückzukehren, und fiel dabei in einen leichten Dauerlauf.
Die Luft war
trocken und warm. Mit ihren Füßen wirbelte Sandy den Staub auf. Es würde wohl
besser und sicherer sein, wenn sie dort blieb und auf einen seriösen Autofahrer
wartete.
Im Innern des
Wagens konnte ihr kaum etwas zustoßen. Sie würde die Nacht notfalls im Auto
verbringen. Bei Tagesanbruch ließ sich dann eher etwas in die Wege leiten.
In der
Finsternis vor ihr tauchte der abgestellte Wagen auf.
Mechanisch
kramte Sandy in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Sie öffnete die Tür und
ließ sich in den Sitz fallen. Hörbar stieß sie die Luft aus der Nase.
Jetzt hieß es
abwarten.
Nur aus dem
Augenwinkel heraus bemerkte sie eine leichte Bewegung. Erschrocken riß sie den
Kopf herum.
Sandy Jovlins
Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Sie war nicht
mehr allein!
Neben ihr saß
ein Mann, die gleiche dunkel gekleidete Gestalt, die sie in den letzten Tagen
und Wochen schon so oft gesehen hatte.
Das bleiche,
krankhaft veränderte Gesicht war ihr zugekehrt, und die dunklen Augen darin
glühten wie Kohlen.
Sandy Jovlin
war in der ersten Sekunde vor Schreck wie gelähmt.
Dann schrie
sie gellend auf, warf sich nach vorn, drückte die Tür auf und stürzte nach
draußen.
Ihr Puls
flog. Sie warf keinen Blick zurück. Sie rannte, als ob der Teufel persönlich
hinter ihr her wäre.
Obwohl ihr
die Luft knapp wurde, gab sie nicht auf. Noch hatte sie der unheimliche Fremde,
den sie gesehen hatte, nicht eingeholt, noch konnte sie sich seinem Zugriff
entziehen.
Aber wie
lange hielt sie durch?
Ihre Kräfte
ließen nach. Sandy merkte, daß sie langsamer wurde und ihre Füße, die schwer
wie Bleigewichte waren, über den Boden schleiften.
Sandy
stöhnte. Die Angst saß ihr im Nacken. Sie glaubte, einen Schatten hinter sich
wahrzunehmen, der ständig größer wurde.
Alles in ihr
wehrte sich. Sie fing an, den Verstand zu verlieren. Das ist die Wahrheit,
gellte es durch ihr Bewußtsein. Dr. Keller hatte sich geirrt! Nichts war mit
ihr in Ordnung!
Sie
schluchzte, fiel zu Boden und raffte sich wieder auf. Ihr hellgrüner Rock war
verschmutzt.
Wieder fiel
Sandy hin. Sie hatte ihre Bewegungen nicht mehr unter Kontrolle. Sie rollte
sich auf die Seite und starrte in das Dunkel hinter sich. Sie wußte nicht, wie
weit sie sich von ihrem Wagen entfernt hatte und wie lange sie gerannt war.
Sie warf den
Kopf herum. War da nicht der Schatten? Doch ihre Sinne spielten ihr
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