069 - Opfer der Daemonen
auseinander.
„Wie!“ brüllte Lowry.
Nur das Echo seiner eigenen Stimme antwortete ihm.
Lowry vergrub das Gesicht in den Händen. Er hatte nichts mehr zu hoffen.
Als es zwölf Uhr läutete, stand Professor Lowry mehr aus Gewohnheit als aus dem Wunsch, sein Büro zu verlassen, auf. Nagende Furcht zerrte an seinen Nerven, die er nur mit Mühe unterdrücken konnte.
Er schlüpfte in seinen Mantel und ging vorsichtig hinaus. Aber plötzlich war da noch ein anderes Gefühl.
Er wußte, daß nichts ihm etwas anhaben konnte. Und je mehr sich seine Furcht verringerte, desto stärker wuchs das Gefühl der Unbesiegbarkeit in ihm. Kühl durchquerte er die Studentenansammlungen und wurde sich mehr und mehr seiner eigenen Größe und Stärke bewußt.
Er war tatsächlich ein Riesenkerl, aber schüchtern, und so hatte er die Kraft, die in ihm steckte, nie wirklich verwendet. Einige der bekannten College-Sportler kamen an ihm vorbei, und er bemerkte zum erstenmal, daß er größer und kräftiger gebaut war.
Draußen auf der Treppe saß ein Student in der Sonne und hielt eine Zeitung in der Hand. Lowry warf einen Blick darauf und erstarrte. Er sah nur leere Seiten.
Einen Moment lang glaubte er, erblindet zu sein, aber sofort verwarf er den Gedanken, denn alles andere konnte er ja deutlich erkennen. Besorgt ging Professor Lowry weiter. Aber das angenehme Gefühl der eigenen Stärke verdrängte den Vorfall schnell aus seinem Gedächtnis.
Gruppen von Studenten standen auf den Wegen herum und plauderten.
Ein Mann schob eifrig einen Rasenmäher vor sich her, und ein Junge trottete auf das Gebäude zu, einen Telegrammumschlag in der Hand haltend.
Plötzlich hatte Lowry das seltsame Gefühl, daß er wissen müßte, was hinter ihm vorging. Blitzschnell wandte er sich um.
Der Junge stand still, lief aber sofort weiter, als Lowry ihn anblickte. Der Mann mit dem Rasenmäher blieb ebenfalls stehen, aber unter Lowrys Blick ging er weiter. Für den Bruchteil einer Sekunde hörten die Studentengruppen auf zu diskutieren und zu gestikulieren, dann normalisierte sich alles wieder.
Während er weiterging, dachte Lowry über die Sache nach. Sicherlich hatte ihn seine Einbildung genarrt!
Old Billy Watkins kam die Straße entlang. Er blieb stehen und berührte seine Kappe. „Geht’s heute besser, Professor Lowry?“ erkundigte er sich freundlich.
„Viel besser, danke.“
„Aber geben Sie gut auf sich acht, Professor!“
„Sicher, Billy.“
Lowry ging weiter. Nach einigen Schritten wandte er sich um und bemerkte gerade noch, daß auch Billy Watkins regungslos dastand. Als er jedoch genau hinsah, trabte der Polizist weiter.
Er machte das gleiche Experiment mit den Studenten, die sich aus den verschiedenen Gruppen gelöst hatten. Es war immer die gleiche Wahrnehmung, die er machte.
Der Professor kam zu dem kleinen Restaurant, in dem die Professoren ihre Mahlzeiten einnahmen. Als er die Tür öffnete, herrschte eine unheimliche Stille. Aber als Lowrys Blick die Männer an den Tischen traf, erwachten sie plötzlich wieder zum Leben. Sonst war nichts Außergewöhnliches zu erkennen.
„Verdammte Schande, was Jebson mit Ihnen gemacht hat“, sagte einer der Professoren empört.
„Ein Sandwich und ein Glas Milch“, bestellte Lowry beim Kellner.
Er unterhielt sich dann mit den Männern an seinem Tisch und fühlte sich so frei und ungezwungen, wie schon lange nicht. Als sie aufbrachen, hatte er den Eindruck, einige neue Freunde gewonnen zu haben.
Heute war Montag. Er war froh darüber, denn montags hatte er keine Nachmittagsvorlesungen. Dienstag und Donnerstag waren seine stärksten Tage. Er konnte also in Ruhe Spazierengehen, den Sonnenschein genießen und die seltsamen Dinge vergessen, die geschehen waren.
Einen Augenblick lang stand er vor der Tür des Lokals und hatte das Gefühl, daß mit der Straße etwas nicht stimmte. Zwei Autos standen auf der Fahrbahn, die Lenker offensichtlich schlafend über die Lenkräder gebeugt. Ein Kind auf einem Fahrrad lehnte reglos an einem Baum. Drei Studenten lagen verkrümmt am Straßenrand.
Waren diese Leute tot?
Nein! Alles geschah, wie er es schon vorher bei dem Mann mit dem Rasenmäher gesehen hatte!
Verwirrt ging Lowry weiter.
Er kaufte sich eine Zeitung, und es überraschte ihn nicht besonders, daß auch diese Zeitung leer war.
Wütend warf er sie zu Boden und ging weiter.
Lowry schlug einen Weg ein, der ihn aus der Stadt hinausführte, denn er hatte ein
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