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Lycana

Lycana

Titel: Lycana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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PROLOG:
EIN GROSSER PLAN
    Die Vampirin stand an der Reling und sah in die Nacht hinaus. Der Himmel war von Wolken verhangen. Kein Stern war zu sehen. Nur die schäumende Gischt hob sich von den schwarz nach allen Seiten ausgedehnten Wassermassen ab, die sich unauf hörlich zu neuen Landschaften verformten, Hügel und Täler voneinander schieden. Der Sturm war zwar abgeflaut, doch noch immer warfen die Wogen das Schiff von einem Wellenkamm zum nächsten.
    Die langen, schlanken Finger der Vampirin schlossen sich fest um die Reling, als das Schiff wieder einmal unvermittelt ins Bodenlose abzusacken schien. Ihre Augen waren fest auf den Horizont gerichtet, wo irgendwann endlich Irlands Küste auftauchen musste, ihre Gedanken jedoch arbeiteten emsig in einer verborgenen Kammer ihres Geistes an dem großen Plan. Sie würde den Meister nicht noch einmal enttäuschen. Dieses Mal würde sie als strahlende Siegerin zurückkehren und ihn überraschen. Sein Blick würde zuerst voll Staunen und dann stolz auf ihr ruhen. Und dann würde er die Hand nach ihr ausstrecken und sie mitnehmen.
    Sie gestattete sich nicht, sich dieser wundervollen Vision hinzugeben. Noch gab es zu viel zu tun, Fäden zu spinnen und zu verweben, bis das Netz dicht genug war, es zuzuziehen und das zappelnde Opfer zu umschließen, immer enger, bis seine Gegenwehr erlahmte und es in ihrer Gewalt war. Sie lächelte versonnen. Ein schönes Lächeln, das ihr ebenmäßiges Gesicht erstrahlen ließ.
    Zwei Monate hatte sie Zeit gehabt, sich das nötige Wissen anzueignen. Es war nicht einfach gewesen, und sie hatte zwei Reisen unternehmen müssen, um in alten Unterlagen das zu finden, was sie suchte.
    Doch dann begann ihr Plan, Formen anzunehmen. Der Meister selbst hatte sie - vermutlich unwissentlich - auf die entscheidende Fährte gesetzt. Sie war stolz auf sich. In ihrem Geist war die Lösung seines Problems geboren. Sie hatte das Schwert gefunden, mit dem man den Knoten zerschlagen konnte - und sie war auch bereit, die Klinge zu führen, wenn es so weit war! Doch bis dahin galt es, Geister zu verwirren und Seelen zu vergiften. Sie zweifelte nicht daran, dass sie das richtige Werkzeug bald gefunden haben würde. Es war für Männer so leicht, ihrem Zauber zu erliegen! Und wenn sie den richtigen erst gefunden hatte, würde er die Schlingen für sie auslegen. Sie musste dann nur noch warten und im rechten Moment zugreifen! Die Vampirin spürte, wie ein Lachen in ihrer Kehle aufstieg. Nur noch ein paar Wochen, dann würde sie am Ziel ihrer Wünsche sein, und die vergangene Niederlage wäre nicht mehr als ein schattenhafter Albtraum, der sie einst gequält hatte und sich nun in Nebel auflöste.
     

DIE HERRIN DER WÖLFE
    Die Morgensonne strich mit ihren ersten Strahlen über die Weite des kahlen Moores und ließ die winzigen Blüten des Heidekrauts aufleuchten. Der noch rötliche Schein schmeichelte den Konturen der schroffen Berge und verlieh der Landschaft einen trügerischen Hauch von Sanftheit, den der stürmische Wind Lügen strafte. Schneidend kalt brauste er in Böen von Westen heran, zerrte am Gewand der einsamen Gestalt mitten im Moor von Connemara und streifte ihr die Kapuze vom weißen Haar. Ein letzter Sonnenstrahl liebkoste das Antlitz der Frau, dann verschluckten Wolken die Morgensonne und die Gipfel der Berge. Ein eisiger Schauer prasselte herab und das Moor zeigte wieder sein abweisend düsteres Gesicht.
    Die Frau blieb stehen, zog sich die Kapuze über den Kopf und setzte ihren Weg unbeirrt fort. Mochte ihr Gesicht auch eingefallen und zerfurcht sein, als habe es weit mehr als einhundert Jahre gesehen, und ihr Leib unter dem langen, weiten Gewand mager, so schritt sie dennoch kräftig aus und hielt den Rücken gerade. Ihren langen Stab schien sie nicht als Stütze bei dem nun immer steileren Aufstieg zu brauchen. Obwohl nirgends ein Pfad erkennbar war, ging sie, ohne zu zögern, voran, umrundete Tümpel mit schwarz schimmerndem Wasser und bodenlosem Morast, schritt an felsigen Abbrüchen entlang und zwischen stacheligen Büschen hindurch, die sich unter dem Wind geduckt nach Osten neigten. Die Gräben und rechteckigen Vertiefungen im moorigen Boden, die die Arbeit der Torfstecher verrieten, hatte sie längst hinter sich zurückgelassen. Bis hier hinauf verirrte sich nur selten ein Mensch, taugte der bräunliche Bewuchs der Berghänge doch nicht einmal, um ein paar Schafe zu weiden.
    Die Frau blieb stehen. Die beiden grauen Wölfe, die ihr in einigem

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