0698 - Der Ghoul aus dem Gully
blickte gegen das Gitter.
Die Lücken zwischen den Eisenstäben waren groß genug, um hindurchschauen zu können. Eigentlich hätte er jetzt etwas sehen müssen, denn er rechnete mit irgendwelchen Bewegungen, aber da hatte er sich verrechnet. Nur der Gestank war geblieben. Als unsichtbare Wolke drückte er sich in die Höhe, fand genügend Lücken, um Erich Sekulla entgegenströmen zu können.
Der schluckte, er wagte nicht mehr zu atmen, und er fragte sich, ob dort unten im Schacht Heere von Ratten auf dem Boden lagen und vermoderten.
Möglich war es schon…
Die Wolke blieb. So intensiv, daß ihm übel wurde. Es war ja auch sinnlos, noch länger hier stehenzubleiben und auf den alten Gully zu starren.
Das mußte er melden!
Als der Entschluß endlich in ihm gereift war, fühlte er sich wohler. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. Er ging in die Knie, streckte seinen rechten Arm aus, um den Griff des Werkzeugkastens zu umfassen, als es passierte.
Und es traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel, denn damit hätte er nicht rechnen können.
Der Gullydeckel zitterte noch für einen Moment. In den Lücken entdeckte Sekulla etwas Graues, das sich noch zuckend bewegte.
Einen Moment später war alles anders.
Mit einem lauten Knirschen löste sich der Gullydeckel aus der Verankerung. An den Rändern brach Beton auf; einige Fliesen splitterten, dann flog ihm der Deckel entgegen.
Sekulla drehte sich noch zur Seite. Instinktiv wußte er, daß dieser schwere Gegenstand ihn töten konnte. Doch er entkam ihm leider nicht ganz. Der schwere Deckel erwischte seine Hüfte. Es war wie ein Treffer mit dem Vorschlaghammer, den Sekulla nicht mehr egalisieren konnte.
Schreiend fiel er zu Boden.
Er hörte noch, wie der Gullydeckel aufprallte, noch einmal tanzte und dann liegenblieb.
Auch Sekulla blieb liegen.
Er hielt sich die Hüfte und auch den Oberschenkel. Aber er schaffte es auch, sich mit dem Oberkörper aufzurichten. Er wußte, daß er wegmußte. Nichts war mehr da, das die Gefahr aus dem Schacht zurückhalten konnte.
Und dann sah er es.
Die Öffnung war frei.
Und aus ihr kroch eine graugelbe, schleimige und widerlich stinkende Masse hervor, wie er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte.
Plötzlich überfiel ihn eine wahnsinnige Angst!
***
Die Masse war da, sie hatte Platz, und sie begann damit, diesen Platz zu nutzen.
Er kroch vor.
Sekulla konnte es kaum fassen, was ihm da entgegenwallte. Ein Berg aus Schleim, der seine Form ständig änderte. Manchmal wirkte er aufgequollen wie eine Wolke, dann flach, als hätte jemand gegen ihn geschlagen. Ab und zu streckte er etwas vor wie einen Arm und schob seine Massen immer weiter aus der Öffnung hervor.
Er schien kein Ende nehmen zu wollen, und Sekulla war so entsetzt, daß er sich nicht rühren konnte.
Den Schmerz an seiner Hüfte und auf dem Oberschenkel merkte er nicht mehr, denn dieses Gefühl wurde von der kalten Angst um sein Leben überlagert.
Er konnte trotzdem noch denken. Seine Gedanken drehten sich um die Umweltverschmutzung, die ja gerade hier in Leipzig und Umgebung besonders schlimm war. Er dachte daran, wie widerlich eigentlich alles war, daß sich in den Tiefen sammelte und was die Menschen noch immer hinzukippten. So mußte es dann zu Reaktionen gekommen sein wie dieser. Daß sich ein neues Geschöpf gebildet hatte, eine Mutation bestehend aus dem Abfall und dem Dreck, den Generationen in die Kanäle gekippt hatten.
Ein Monster war hervorgekommen.
Sekulla ahnte nicht, daß sich seine Überlegungen in eine falsche Richtung bewegten, denn was aus diesem Schacht seinen Weg ins Freie suchte, war ein Wesen, wie er und die meisten Menschen es einfach nicht kennen konnten.
Es war ein Ghoul - ein Leichenfresser!
Eigentlich das Schlimmste, was eine dämonische Welt hervorbringen konnte. Ghouls widerten selbst andere Geschöpfe der Schwarzen Magie an. Sie rangierten in der Hierarchie ganz unten, aber es gab sie, ihre Existenz war nicht zu leugnen.
Und Sekulla sah einen vor sich.
Aus seiner Perspektive kam der Ghoul ihm vor wie ein gewaltiger Schleimberg, der zwar eine Grundform besaß, aber sein Aussehen immer mehr veränderte und sich vor allem Dingen seinem Opfer näherte und dabei einen Leichengestank abgab, der dem Handwerker den Atem raubte.
Er wollte aufstehen, knickte aber schon bei der ersten Bewegung zusammen, denn der Aufprall des Gullydeckels hatte sein Bein und seinen Oberschenkel zu stark malträtiert.
Mit einem Schrei, den er
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