0698 - Der Ghoul aus dem Gully
nicht zurechtgekommen, muß ich dir ehrlich sagen.«
»Ist klar.«
»Was willst du tun?«
Stahl grinste. »Nachdenken, Manfred.«
»Das ist nicht viel.«
Der Kommissar konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »So siehst du das, ich bin da anderer Meinung.«
»Okay, sag mir Bescheid. Ich gehe jetzt was essen.« Bender schüttelte sich. »Ich muß endlich diesen verfluchten Leichengeschmack aus dem Mund bekommen. Da hat selbst der Whisky nicht viel geholfen.«
»Versuche es mal mit Säure.«
»Witzbold.«
Bender verschwand, und Harry Stahl kam immer mehr zu dem Entschluß, daß er es allein nicht schaffen konnte.
Nicht einmal mit einem Rat.
John und Suko mußten her. Oder zumindest einer von ihnen. Es war, als wäre bei ihm eine Klappe gefallen. Er beugte sich vor und griff zum Telefonhörer…
***
Der Flughafen von Leipzig gehörte nicht gerade zu denen, wo man sich wohl fühlen konnte, aber die Landung hatte gut geklappt, und es war zu sehen, daß überall gebaut und renoviert wurde.
Ein Flughafenbus brachte uns bis zur Abfertigungshalle, wo das Gepäck auch entgegengenommen werden konnte.
Ich war allein geflogen und hatte Suko in London zurückgelassen, weil er sich um Dinge kümmern sollte, die dort anfielen. Er war auch nicht sauer gewesen, zurückbleiben zu müssen, im Gegenteil, er wollte sich einige ruhige Tage machen und auch versuchen, wieder mit seiner verschwundenen Freundin Shao in Kontakt zu treten, denn in den letzten Tagen hatte ihn doch manchmal der Moralische überkommen, wie er nur mir gegenüber zugegeben hatte.
Ich wünschte ihm Erfolg.
Abholen konnte mich mein Freund Kommissar Stahl wegen einer Besprechung nicht. Wir hatten ausgemacht, uns im Hotel Merkur zu treffen, und zwar an der erhöht liegenden Bar in der Halle, direkt neben dem Spielcasino. Es gab keinen Ärger bei der Gepäckkontrolle, ich hatte freie Bahn und fand auch sofort ein Taxi, dessen bärtiger Fahrer froh darüber war, einen Briten transportieren zu können, der Deutsch sprach.
»Das findet man selten. Waren Sie schon mal in Leipzig?«
»Im letzten Jahr.«
»Hier hat sich einiges verändert, kann ich Ihnen sagen. Es wird gebaut, und die Luft ist auch nicht mehr so schmutzig. Ist ja auch klar. Es fahren jetzt weniger Trabbis.«
»Ist der Trabbi nicht zum Auto des Jahres gewählt worden?« erkundigte ich mich.
»Sicher, aber nur von Spaßvögeln aus dem Westen.«
Wir rollten über ein Stück Autobahn, bei dessen Belag es mir angst und bange wurde. Das Wetter hier war auch nicht besser als in London, und um die Mittagszeit hielt sich der Verkehr in Grenzen, deshalb kamen wir gut durch.
Das Hotel liegt am Bahnhof.
Es ist ein mächtiger Kasten mit 27 Stockwerken und überragt eigentlich alles in der Stadt.
Vor dem Eingang stoppte der Fahrer auf der Auffahrt. Ich zahlte mit Trinkgeld vierzig DM und überließ einem Bediensteten meinen Koffer. Die Hotelhalle war groß, aber für meinen Geschmack etwas zu dunkel, denn auch der Teppichboden und die Sitzgruppen zeigten keine helle Farbe. An der Rezeption stellte ich mich vor und ließ mir bestätigen, daß mein Zimmer reserviert und auch frei war.
Es lag im achten Stock. Ich fuhr mit dem Lift hoch, stellte den Koffer ab, wusch mir die Hände, auch das Gesicht und nahm den dünnen Mantel mit, als ich wieder nach unten fuhr.
Zur Bar führte eine Treppe hoch. Sie endete auf einem Plateau, wo vor der Bar einige Tische und Stühle standen.
An ihnen saß niemand. An der Bar hockten zwei Männer, die an der langen Gerade irgendwie verloren wirkten und ihren Kaffee schlürften. Dabei führten sie leise Gespräche.
Ich nahm an der schmalen Seite Platz, weil ich dort den besten Überblick hatte, und bestellte ebenfalls einen Kaffee. Als er mir von einer rothaarigen Barmaid, die ihre Wolle auf dem Kopf hinten zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, serviert wurde, erschien ein neuer Gast. Er kam mit raschen Schritten und einem breiten Lächeln auf den Lippen auf mich zu.
»Harry!« rief ich. »Du alter Entsorger.«
Er lachte. »Wie kommst du denn darauf?«
»Man liest sogar in unseren Zeitungen, daß hier die große Entsorgung beginnt.«
»Da hast du recht, aber ich verlasse mich lieber auf die Gangster und anderes Kroppzeug.«
»Dämonen meinst du?«
»Sicher.« Er rutschte neben mir auf den Hocker und bestellte einen Kaffee. »Erst gestern haben wir den dritten Toten gefunden oder vielmehr dessen Überreste.«
»Ja, das sagtest du am Telefon.«
»Und
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