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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Gedanken kam, bei Beziehungen zwischen Teenagern spiele intellektuelles Gleichgewicht eine Rolle.
    Jean ging von der Gesamtschule ab und nahm einen Job auf dem alten Billingsgate-Markt an. Kenneth erhielt ein Stipendium und kam auf ein kleines Internat in West Sussex. Dort spielte er nun wirklich in der ersten Cricket-Mannschaft und tat sich so glänzend hervor, daß mehr als einmal Talentsucher dieser oder jener Ligamannschaft sich die Schulwettkämpfe ansahen, um ihm zuzuschauen, wie er ohne sichtbare Anstrengung die Bälle dutzendweise über die Spielfeldgrenze schlug.
    An den Wochenenden kam er stets nach Hause. Auch davon hörten Dad und ich, weil Kenneth regelmäßig Mutter in der Schule aufsuchte, um ihr von seinen Fortschritten zu berichten. Er schien jeden Sport mitzumachen, gehörte jedem Verein an, zeichnete sich in jedem seiner Fächer aus, war der Liebling nicht nur des Schulleiters, sondern sämtlicher Lehrer, all seiner Mitschüler, der Tutoren und der Hausdame und jedes Grashalms, auf den er seinen Fuß setzte. Wenn er sich nicht der Entfaltung seiner zukünftigen Größe widmete, war er an den Wochenenden zu Hause und kümmerte sich um seine Geschwister. Und wenn er sich nicht um seine Geschwister kümmerte, saß er in der Schule und schmierte Mutter Honig ums Maul und zeigte sich allen Fünftkläßlern als leuchtendes Beispiel dafür, was ein Schüler erreichen konnte, wenn er ein Ziel hatte. Kenneth' Ziel war Oxford, ein Platz in der Cricket-Mannschaft der Universität, mindestens fünfzehn Jahre Mitgliedschaft in der englischen Nationalmannschaft, wenn es irgend ging, und Anteil an sämtlichen Vorteilen, die dies mit sich bringen kann: Reisen, Ruhm, Werbeverträge, Geld.
    Da er sich so viel vorgenommen hatte, meinte Mutter zufrieden, er könnte unmöglich noch Zeit für »die kleine Cooper« aufbringen, wie sie Jean mit verächtlich gekräuselten Lippen zu nennen pflegte. Aber da irrte sie sich gewaltig.
    Kenneth traf sich weiterhin mit Jean. Nur verlegten sie jetzt eben ihre Zusammenkünfte ins Wochenende. Sie taten das, was sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr taten: Sie gingen ins Kino oder auf eine Party, sie hörten sich mit Freunden Musik an oder machten eine Wanderung, oder sie aßen bei einer ihrer Familien zu Abend oder fuhren mit dem Bus zum Trafalgar Square, mischten sich dort ins Gewühl und sahen zu, wie das Wasser von den Brunnen herabströmte. Das Vorspiel änderte nie etwas an dem, was folgte, da es stets das gleiche war: Sie schliefen miteinander.
    Als Kenneth an jenem Freitag im Mai zu Mutter ins Zimmer kam, machte sie den Fehler, sich nicht genug Zeit zu nehmen, um die Situation zu überdenken, nachdem er ihr gesagt hatte, daß Jean schwanger sei. Sie sah die Hoffnungslosigkeit und die Scham in seinem Gesicht und sagte das erstbeste, was ihr in den Sinn kam: »Nein!« Und setzte dann nach: »Das kann nicht sein. Doch nicht jetzt. Das ist einfach nicht möglich.«
    Er widersprach. Und dann entschuldigte er sich.
    Sie wußte, was dieser Entschuldigung folgen würde, und versuchte, es abzubiegen, indem sie rief: »Kenneth, du bist jetzt erregt, aber du mußt mir erst einmal zuhören. Weißt du mit Sicherheit, daß sie schwanger ist?«
    Ja, Jean selbst hatte es ihm gesagt.
    »Aber hast du auch mit ihrem Doktor gesprochen? War sie überhaupt beim Arzt? War sie in einer Klinik? Hat sie einen Test gemacht?«
    Er antwortete nicht. Er sah so unglücklich drein, daß Mutter Angst hatte, er würde aus dem Zimmer laufen, ehe sie die Situation klären konnte. Hastig fuhr sie fort: »Vielleicht irrt sie sich. Vielleicht hat sie sich verzählt.«
    Er sagte nein, ein Irrtum sei ausgeschlossen. Sie habe sich nicht geirrt. Sie habe ihm schon vor zwei Wochen gesagt, daß die Möglichkeit bestehe. Und in dieser Woche nun hatte sich die Befürchtung bestätigt.
    Mutter fragte vorsichtig: »Ist es möglich, daß sie versucht, dich an sich zu binden, weil du nicht hier bist und sie dich vermißt, Ken? Daß sie behauptet, schwanger zu sein, damit du die Schule aufgibst? Und dann in ein oder zwei Monaten, falls ihr heiraten solltet, eine Fehlgeburt vortäuscht?«
    Nein, entgegnete er, bestimmt nicht. So sei Jean nicht.
    »Woher weißt du das?« fragte Mutter. »Wenn du nicht mit ihrem Arzt gesprochen hast? Wenn du dir das Testergebnis noch nicht selbst angesehen hast, woher willst du dann wissen, daß sie die Wahrheit sagt?«
    Er sagte, sie sei beim Arzt gewesen. Und er habe das Testergebnis gesehen.

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