07 - Asche zu Asche
meisten Mädchen, die Mutter in die Hände gefallen waren, hatten am Ende Vernunft gezeigt. Mutter war Expertin in der Kunst der sanften Überredung, wobei sie stets die Zukunft des Kindes, die Zukunft der jungen Mutter und eine Trennung der einen von der anderen im Auge hatte. Es bestand kein Anlaß zu befürchten, daß sie mit Jean Cooper, die ihr geistig, psychisch und gesellschaftlich unterlegen war, Schwierigkeiten haben würde.
Sie fand Jean nicht im Café vor, sondern in der Damentoilette, wo sie gerade eine Zigarettenpause machte. Sie trug einen weißen Kittel voller Fettflecken, ihr Haar hatte sie schlampig unter eine Haube gestopft. Im rechten Strumpf lief eine Masche. Nach dem Äußeren zu urteilen, war Mutter von Anfang an im Vorteil.
Jean war keine Schülerin von ihr gewesen. Damals pflegte man die Schüler in Leistungsgruppen einzuteilen, und Jean war während ihrer Schulzeit bei den kleineren Fischen mitgeschwommen. Aber Mutter wußte, wer sie war. Wenn man Kenneth Fleming kannte, wußte man auch, wer Jean Cooper war. Und Jean kannte natürlich Mutter. Zweifellos hatte sie von Kenneth so viel über seine Lehrerin gehört, daß sie schon lange vor dieser Begegnung auf dem Billingsgate-Markt von Mrs. Whitelaw die Nase voll hatte.
»Kenny war leichenblaß, als ich mich Freitag abend mit ihm getroffen hab«, war das erste, was Jean sagte. »Er wollte überhaupt nicht mit mir reden und ist schon am Samstag wieder ins Internat gefahren statt wie sonst am Sonntag. Das hab ich wohl Ihnen zu verdanken, was?«
Mutter begann mit ihrem Standardsatz: »Ich möchte mit Ihnen über die Zukunft sprechen.«
»Über wessen Zukunft? Über meine? Die des Kindes? Oder Kennys?«
»Über Ihre ebenso wie über die von Kenneth und dem Kind.«
Jean nickte. »Ich kann mir richtig vorstellen, wie sehr Ihnen meine Zukunft am Herzen liegt, Mrs. Whitelaw. Sie können wahrscheinlich vor lauter Sorge um mich keine Nacht mehr schlafen, nicht? Und bestimmt haben Sie alles schon sauber geplant, und ich brauche Ihnen jetzt nur noch zuzuhören, während Sie mir erklären, wie es läuft.« Sie warf ihre Zigarette auf den rissigen Linoleumboden, trat sie aus und zündete sich sofort eine frische an.
»Jean, das ist nicht gut für das Kind«, sagte Mutter.
»Was für das Kind gut ist, entscheide ich. Das entscheiden Kenny und ich. Ohne Ihre Hilfe, besten Dank.«
»Sind Sie beide denn überhaupt in der Lage, etwas zu entscheiden? Allein, meine ich.«
»Wir wissen, was wir wissen.«
»Ken geht noch zur Schule, Jean. Er hat keinerlei Berufserfahrung. Wenn er jetzt von der Schule abgeht, begeben Sie sich beide in ein Leben ohne Zukunft, ohne Aussichten. Das müssen Sie doch sehen.«
»Ich sehe vieles. Ich sehe, daß ich ihn liebe und er mich liebt und wir zusammen leben wollen und das auch tun werden.«
»Sie wollen das«, fiel Mutter ihr ins Wort. »Sie, Jean. Ken will das nicht. Kein Junge wünscht sich so etwas. Und Ken ist gerade erst siebzehn geworden. Er ist fast noch ein Kind. Und Sie selbst sind - Jean, wollen Sie wirklich das alles auf sich nehmen: Heirat und Kind so schnell hintereinander? Sie sind noch so jung. Sie haben doch keinerlei Möglichkeiten. Sie werden auf die Unterstützung Ihrer beiden Eltern angewiesen sein, und Ihre Eltern haben es doch selbst schwer genug. Glauben Sie wirklich, daß das für Sie drei das beste ist? Für Ken, das Kind und Sie selbst?«
»Ich sehe vieles«, sagte Jeannie wieder. »Ich sehe, daß wir seit Jahren zusammen sind und daß es uns miteinander gutgeht. Und daran wird sich auch nichts ändern, nur weil er auf irgendeine vornehme Schule geht. Ganz gleich, was Sie wollen.«
»Ich will das Beste für Sie beide.«
Jean lachte nur. Sie zog an ihrer Zigarette und beobachtete Mutter durch die Rauchschwaden. »Ich sehe vieles«, wiederholte sie ein drittes Mal. »Ich sehe, daß Sie mit Kenny geredet und ihn total durcheinandergebracht haben.«
»Er war schon vorher durcheinander. Guter Gott, Ihnen muß doch klar sein, daß er sich über so eine Neuigkeit« - mit einer Handbewegung zu Jeans Bauch - »nicht freuen kann. Sie hat ja sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.«
»Sie haben ihn so weit gebracht, daß er an mir zweifelt und mir dumme Fragen stellt. Sie haben ihn so weit gebracht, daß er sich fragt, ob ich nicht außer ihm noch andere gehabt habe. Mir ist völlig klar, wie er überhaupt auf den Gedanken kommen konnte.«
Jean warf ihre Zigarette zu Boden und trat sie neben dem
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