07 - Asche zu Asche
konnte. Ich machte mich also ans Werk und arbeitete die folgenden sechs Jahre lang unermüdlich an Schuld und Strafe.
Olivia
Chris ist zurück. Er hat etwas zu essen mitgebracht, wie ich mir schon gedacht hatte, aber es ist kein tandoori, sondern etwas Thailändisches, aus einem Restaurant namens Bangkok Hideaway. Er hielt mir die Tüte unter die Nase und sagte: »Mmm, riech mal, Livie. Das haben wir noch gar nicht probiert, oder? Die machen die Nudeln mit Erdnüssen und Bohnenkeimen.«
Dann ging er hinunter in die Küche, und dort hörte ich ihn jetzt mit dem Geschirr klappern. Er singt dabei. Er hat ein Faible für amerikanische Countrymusic, und im Augenblick trällert er »Crazy« kaum schlechter als Patsy Cline.
Von meinem Platz an Deck konnte ich Chris mit den Hunden die Bloomfield Road herunterkommen sehen. Sie rannten nicht mehr, und ich sah an Chris' Bewegungen, daß er mit den Hundeleinen und einer Tüte jonglierte und mit etwas, das er im angewinkelten Arm trug. Die Hunde schienen sich für dieses Etwas sehr zu interessieren. Beans versuchte dauernd an Chris hochzuspringen, um es sich näher anzusehen, und Toast hüpfte und stieß Chris' Arm an. Als sie aufs Hausboot kamen - die Hunde vorweg, an ihren Leinen zerrend -, sah ich das Kaninchen. Es zitterte so heftig, daß ich nur etwas Graubraunes mit Schlappohren und Knopfaugen erkennen konnte. Ich sah Chris an.
»Im Park«, erklärte er. »Beans hat es unter einer Hortensie aufgestöbert. Manchmal kotzen mich die Leute wirklich an.«
Ich wußte, was er meinte. Irgend jemand hatte keine Lust mehr gehabt, sich um das Haustier zu kümmern, und beschlossen, es sei bestimmt draußen in der freien Natur viel glücklicher. Daß das Tier nicht frei geboren war, spielte keine Rolle. Es würde sich schon an seine neue Umgebung gewöhnen und sie herrlich finden - solange nicht ein Hund oder eine Katze es vorher erwischte.
»Es ist süß«, sagte ich. »Wie nennen wir es?«
»Felix.«
»Das ist doch ein Katzenname!«
»Es ist lateinisch und bedeutet glücklich. Und das ist der Kleine jetzt bestimmt, wo er nicht mehr im Park ist.« Und dann ging er nach unten.
Jetzt ist Chris gerade mit den Hunden wieder an Deck gekommen. Er hat ihre Näpfe und ihr Futter mitgebracht. Meistens füttert er sie unten, aber ich weiß, ihm liegt daran, daß ich nicht allein bin. Er stellt die Näpfe vor meinen Stuhl und sieht zu, wie die Hunde sich auf ihre Bröckchen stürzen. Er streckt sich und hebt seine Arme. Im Licht der späten Nachmittagssonne sieht sein Kopf aus wie von rostrot leuchtendem Flaum bedeckt. Er sieht hinüber zu Browning's Island und lächelt.
»Was ist?« fragte ich.
»Grüne Weiden sind etwas ganz Besonderes«, antwortet er.
»Schau, wie der Wind die Zweige bewegt. Sie sehen wie Tänzer aus. Sie erinnern mich an Yeats.«
Er kauert sich neben meinen Stuhl und sieht, wie viele Seiten ich geschrieben habe. Er nimmt die Dose mit den großen Kinderbleistiften und prüft, ob ich noch gut ausgerüstet bin. »Soll ich sie dir spitzen?« Das ist seine Art zu fragen, wie es vorwärtsgeht und ob ich noch weitermachen möchte.
Und ich beantworte beides positiv, indem ich sage: »Wo hast du Felix untergebracht?«
»Im Augenblick erst mal auf dem Tisch in der Küche. Da mummelt er sein Abendbrot. Vielleicht sollte ich mal nach ihm sehen. Möchtest du runterkommen?«
»Noch nicht.«
Er nickt. Er richtet sich auf und nimmt meine Bleistiftdose gleich mit. Zu den Hunden sagt er: »Ihr beide bleibt hier oben. Beans. Toast. Habt ihr verstanden? Ihr paßt mir auf Livie auf.«
Sie wedeln mit den Schwänzen. Chris geht nach unten. Lächelnd lehne ich mich zurück. »Ihr paßt mir auf Livie auf.« Als könnte ich weglaufen!
Wir haben diese besondere Art, in Kürzeln zu sprechen. Chris und ich. Sie hat sich langsam entwickelt, und es tut gut, sagen zu können, was man denkt, ohne das Thema zu berühren. Mein einziges Problem dabei ist, daß ich manchmal nicht die Worte zur Verfügung habe, die ich suche. Ich habe beispielsweise immer noch keine Ahnung, wie ich Chris sagen kann, daß ich ihn liebe. Nicht, daß es an unserer Situation etwas änderte, wenn ich es ihm sagte. Chris liebt mich nicht - jedenfalls nicht auf die Weise, an die man normalerweise denkt, wenn man von Liebe spricht -, und er hat mich nie geliebt. Er begehrt mich auch nicht. Und hat mich nie begehrt. Früher habe ich ihn verdächtigt, schwul zu sein. »Tunte«, habe ich ihn genannt, »warmer Bruder«
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