07 - Asche zu Asche
von vorn? Was willst du?«
»Nichts«, sagte er.
»Nichts?«
»Tut mir leid.«
Mir wurde ganz heiß im Gesicht. »Soll das vielleicht heißen, daß ich die letzten anderthalb Stunden damit vertan hab, darauf zu warten, daß du -«
»Wir haben gegessen. Ich hab doch gesagt, daß ich essen gehe.«
»Hast du nicht! Du hast gefragt, wo, und ich hab gesagt im Southerly in der Gloucester Road. Zimmer 69, hab ich gesagt, und du hast gesagt -«
»Daß ich was zu essen brauche. Daß Toast und ich hungrig seien.«
»Scheiß auf deinen Toast. Mir fehlen dreißig Mäuse.«
»Dreißig Pfund? Das ist alles, was er dir zahlt? Und was tust du dafür? Und wie fühlst du dich hinterher?«
»Was geht dich das an? Du blöder Scheißer! Gib mir die Kohle, sonst mach ich hier mitten auf der Straße einen Riesenzirkus.«
Er musterte die Leute auf der Straße und schien über meine Drohung nachzudenken.
»Na schön«, sagte er schließlich. »Aber du mußt dafür arbeiten.«
»Das hab ich dir doch sowieso angeboten.«
Er nickte. »Richtig. Also, komm.«
Ich folgte ihm. »Hand ist am billigsten«, stellte ich klar. »Beim Blasen kommt's darauf an, wie lang. Beim Bumsen mußt du 'nen Gummi überziehen. Wenn du mehr als eine Stellung willst, kostet jede extra. Klar?«
»Sonnenklar.«
»Wohin gehen wir?«
»Zu mir.«
Ich blieb stehen. »Kommt nicht in Frage. Ins Southerly oder gar nicht.«
»Willst du dein Geld?«
»Willst du 'ne Frau?«
Wir standen in der West Cromwell Road. Autos brausten rechts und links an uns vorbei, und Fußgänger mußten einen Bogen um uns schlagen.
»Hör mal«, sagte er. »Ich hab in Little Venice Tiere, die auf ihr Futter warten.«
»Noch mehr von der Sorte?« Ich trat mit der Fußspitze nach dem Hund.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Ich tu dir nichts.«
»Als ob du das könntest!«
»Tja, wer weiß.« Er ging einfach weiter und rief mir über die Schulter zu: »Wenn du das Geld haben willst, kannst du mitkommen oder dich auf der Straße mit mir darum prügeln. Du hast die Wahl.«
»Ah, ein Tier bin ich also nicht? Ich habe die Wahl.«
Er drehte sich mit einem Lachen nach mir um. »Du bist gescheiter, als du aussiehst.«
Also ging ich mit. Zum Teufel, dachte ich mir. Archie würde ja doch nicht mehr kommen, und da ich Little Venice sowieso nur oberflächlich kannte, fand ich, man könnte es sich ruhig einmal näher ansehen.
Chris ging voraus. Er kümmerte sich überhaupt nicht darum, ob ich folgte. Er schwatzte mit dem Hund, der ihm ungefähr bis zur Mitte des Oberschenkels reichte. Er tätschelte ihm den Kopf und ermunterte ihn zum Laufen, indem er sagte: »Du kriegst langsam ein Gefühl dafür, was, Toast? Warte nur, noch einen Monat, und du bist ein richtiger Flitzer. Gefällt dir die Vorstellung, hm?«
Als wir den Kanal erreichten, war es dunkel geworden. Wir gingen über die Brücke und stiegen die Treppe zum Treidelpfad hinunter. Ich sagte: »Ach, es ist wohl ein Hausboot?«
»Ja«, antwortete er. »Noch nicht ganz fertig, aber wir arbeiten dran.«
Ich zögerte. »Wir?« Mit Gruppensex hatte ich im vergangenen Jahr aufgehört. Das brachte es nicht. »Ich hab nie gesagt, daß ich's mit mehreren Leuten machen würde«, sagte ich.
»Mehreren Leuten?« fragte er. »Ach so, tut mir leid. Ich hab die Tiere gemeint.«
»Die Tiere?«
»Ja. Wir. Die Tiere und ich.«
Obertrottel, dachte ich. »Ach, und die helfen dir beim Bauen?«
»Die Arbeit geht einem in netter Gesellschaft schneller von der Hand. Das mußt du in deinem Gewerbe doch am besten wissen.«
Ich kniff die Augen zusammen. Der Kerl machte sich über mich lustig. Dieser eingebildete Idiot. Na, wir würden ja sehen.
»Welches ist deines?« fragte ich.
Es sah damals anders aus als heute. Es war gerade mal halb fertig. Oh, von außen war es vorbildlich, sonst hätte Chris den Liegeplatz gar nicht bekommen. Aber innen herrschte Chaos: nackte Dielen, Holzklötze, Linoleum- und Teppichrollen, ein Haufen Modellflugzeuge und überall Kartons mit Büchern, Kleidern, Geschirr und Küchengeräten. Es sah aus wie beim Lumpensammler. Nur ganz vorn auf dem Boot war ein freies Fleckchen, und das war von Chris' Freunden besetzt: drei Hunde, zwei Katzen, ein halbes Dutzend Kaninchen und vier langschwänzige Biester, die Chris mir als Wanderratten vorstellte. Alle hatten irgendwelche Blessuren an Augen oder Ohren oder Haut.
»Bist du Tierarzt oder was?« fragte ich.
»Oder was.«
Ich ließ meine Tüten fallen und sah mich um. Ein
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