07 - Asche zu Asche
Bett schien es nicht zu geben. Und viel Platz auf dem Boden war auch nicht vorhanden. »Wo hast du dir denn gedacht, daß wir's tun?«
Er ließ Toast von der Leine. Der Hund trottete zu den anderen Tieren, die von den diversen Decken aufstanden, auf denen sie gelegen hatten. Chris ging durch eine Lücke in einer Wand, die später einmal eine Tür werden sollte, in einen Nebenraum und kramte aus dem wüsten Durcheinander auf einer Arbeitsplatte mehrere Tüten Tierfutter heraus: Trockenfutter für die Hunde; irgendwelche Kügelchen für die Ratten; Karotten für die Kaninchen und irgend etwas in Dosen für die Katzen. Er sagte:
»Wir können hier anfangen«, und wies mit einer Kopfbewegung zu der Treppe, die wir eben heruntergekommen waren.
»Anfangen?« wiederholte ich verblüfft. »Kannst du mir vielleicht mal sagen, was du dir eigentlich vorgestellt hast?«
»Ich hab da drüben auf dem Balken über dem Fenster einen Hammer liegengelassen. Siehst du ihn?«
»Hammer?«
»Ich glaube, wir könnten ganz schön was schaffen. Du reichst mir die Bretter und die Nägel.«
Ich starrte ihn sprachlos an. Er schüttete Futter in die verschiedenen Näpfe, und ich hätte schwören können, daß er lächelte.
»Du gottverdammter -« begann ich.
»Dreißig Mäuse. Dafür erwarte ich Qualitätsarbeit. Kannst du die leisten?«
»Ich werde dir zeigen, was Qualitätsarbeit ist!«
Und so kam es, daß Chris und ich gemeinsam das Hausboot herrichteten. An diesem ersten Abend wartete ich die ganze Zeit darauf, daß er sich an mich ranmachen würde. Ich wartete in den folgenden Nächten und Tagen. Er tat es nicht. Und als ich beschloß, selbst die Initiative zu ergreifen und ihm einzuheizen, damit ich hohnlachend sagen konnte: »Na bitte, bist du nicht wie alle anderen?«, legte er mir die Hände auf die Schultern, hielt mich auf Armeslänge von sich weg und sagte: »Das läuft hier nicht, Livie. Du und ich, das geht nicht. Tut mir leid. Ich will dir nicht weh tun. Aber das ist einfach nicht drin.«
Manchmal, spät in der Nacht, denke ich, er hat's gewußt. Er hat es gespürt, er hat es an meinem Atem gerochen. Irgendwoher hat er's gewußt und von Anfang an beschlossen, mich auf Abstand zu halten, weil das risikoloser war, weil er sich dann nicht zu engagieren brauchte, weil er mich nicht lieben wollte, weil er Angst hatte.
An diese Gedanken klammere ich mich, wenn er nachts weg ist. Wenn er bei der anderen ist. Er hatte Angst, dachte ich. Darum ist zwischen uns nie etwas passiert. Wer liebt, verliert. Und das wollte er nicht.
Aber damit messe ich mir mehr Bedeutung zu, als ich für Christ je besessen habe, und in meinen ehrlichen Momenten weiß ich das auch. Es ist wirklich ein Witz - mein Leben lang war ich in Opposition gegen meine Mutter und das, was sie sich für mich erträumte; ich war entschlossen, das Leben so anzupacken, wie ich es für richtig hielt und nicht, wie sie es wünschte; und dann verliebe ich mich ausgerechnet in einen Mann, dem sie mich mit Freuden gegeben hätte. Weil Chris Faraday sich nämlich für etwas engagiert. So ein Mann wäre Mutter hochwillkommen gewesen, denn auch sie ist einst, ehe alles so durcheinander geriet, für etwas eingetreten.
Damals, als das mit Kenneth Fleming anfing.
Sie vergaß ihn nicht, nachdem er die Schule verlassen hatte, um Jean Cooper gegenüber seine Pflicht zu erfüllen. Wie ich schon berichtet habe, sorgte sie dafür, daß er in Dads Druckerei beschäftigt wurde. Er arbeitete an einer der Pressen. Und als er eine Werksmannschaft organisierte, um gegen andere Werksmannschaften in Stepney Cricket zu spielen, drängte sie Dad, die »Jungs«, wie sie sie nannte, zu unterstützen, damit sie neben der Arbeit auch Spaß miteinander erleben konnten. »Das schweißt sie zusammen, Gordon«, sagte sie, als er uns erzählte, daß der junge K. Fleming - Dad nannte seine Angestellten immer beim Anfangsbuchstaben - mit der Idee an ihn herangetreten war. »Und Leute, die sich zusammengehörig fühlen, arbeiten immer besser.«
Dad dachte nach, bei Brathuhn und neuen Kartoffeln arbeiteten Hirn und Kiefer gleichzeitig. »Es muß ja nicht unbedingt schlecht sein. Außer es wird jemand verletzt. Dann fällt er als Arbeitskraft aus. Und wird wollen, daß sein Lohn weitergezahlt wird. Das muß man bedenken.«
Aber Mutter bekehrte ihn zu ihrer Auffassung. »Das kann schon sein, aber körperliche Bewegung ist gesund, Gordon. Ebenso frische Luft. Und die Kameradschaft unter den
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