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07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nach, was Kenneth meinte, wenn er behauptete, die Druckerei müsse modernisiert werden. Und als zweites wollte sie wissen, wie sie ihm wieder auf den Weg helfen konnte, der ihm erlauben würde, etwas Besonderes aus seinem Leben zu machen.
    Seine Antwort auf die erste Frage führte sie in die Welt von Computern und Laserdruck. Die zweite Antwort war eine Warnung, Abstand zu halten. Dabei hatte zweifellos Jean die Hände im Spiel gehabt. Sie machte bestimmt keine Freudensprünge, als sie hörte, daß Mutter ganz unerwartet wieder an der Peripherie ihres Lebens aufgetaucht war.
    Aber Mutter gab nicht so leicht auf. Zunächst einmal holte sie Kenneth von den Maschinen weg und beförderte ihn auf einen leitenden Verwaltungsposten, um ihn schmecken zu lassen, wie es hätte sein können. Als er sich dort bewährte - was ja gar nicht anders möglich war in Anbetracht seiner Intelligenz und dieses verdammten Charmes, von dem Dad und ich monatelang beim Abendessen gehört hatten, als er noch ein Teenager gewesen war -, begann sie, die ersten Furchen auf dem ungepflügten Feld seiner Träume zu ziehen. Und bei diesem Lunch oder jenem Tee, nachdem man besprochen hatte, wie ein Gehaltsdisput oder eine Arbeitnehmerbeschwerde am besten gehandhabt werden konnten, entdeckte sie, daß die Träume nach Ablauf von neun Jahren, nach drei Kindern und täglicher Schinderei in Maschinenlärm und Dreck unverändert lebendig waren.
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß Kenneth Mutter sogleich bereitwillig offenbarte, daß er noch immer davon träumte, diesen lederbespannten Ball weit über die Spielfeldgrenze hinaus zu schlagen und das Toben der Menge zu hören, wenn an der Anzeigetafel im Lord's der Name »K. Fleming« aufleuchtete. Er war sechsundzwanzig Jahre alt, Vater von drei Kindern, an eine Ehefrau gebunden, ohne Hoffnung auf eine akademische Ausbildung; und dies alles, weil er Jean Cooper eines Abends versichert hatte, beim ersten Beischlaf in der Pillenpause würde bestimmt nichts passieren.
    Aber meine Mutter wird ihn mit der Zeit schon mürbe gemacht haben. Vielleicht saßen sie ja eines Abends spät bei einer Tasse Kaffee, und sie sagte: »Wissen Sie, es ist lächerlich - dies einem meiner früheren Schüler zu gestehen, einem Mann, noch dazu einem soviel jüngeren Mann ...« Und dann wird sie ihm irgendeine Kleinigkeit anvertraut haben, die kein Mensch von ihr wußte, eine kleine Geschichte, die sie sich vielleicht blitzartig ausgedacht hatte, nur um Kenneth zu ermutigen, ihr sein Herz zu öffnen, wie er es als Junge getan hatte.
    Wer weiß, wie sie es angestellt hat. Sie hat mir nie alles erzählt. Ich weiß nur, daß sie sein Vertrauen wiedergewann, auch wenn sie fast ein Jahr dazu brauchte.
    Sie führten keine schlechte Ehe, erzählte er ihr wahrscheinlich eines Abends, als es in der Druckerei unter ihnen schon grabesstill war, während sie noch über ihrer Arbeit saßen. Sie sei nicht kaputtgegangen, wie man das in Anbetracht der Umstände, unter denen sie geschlossen worden war, vielleicht hätte erwarten können. Aber ... nein, das sei Jean gegenüber nicht fair. Er fühle sich wie ein Verräter, wenn er hinter ihrem Rücken über sie spreche. Sie tue schließlich ihr Bestes. Sie liebe ihn, und sie liebe die Kinder. Sie sei eine gute Mutter. Eine gute Ehefrau.
    »Aber etwas fehlt«, wird Mutter erwidert haben. »Ist es so, Ken?«
    Vielleicht nahm er einen Briefbeschwerer zur Hand, umschloß ihn unbewußt mit seinen Fingern wie einen Cricket-Ball und sagte: »Ich habe mir wahrscheinlich mehr erhofft«, selbstironisch lächelnd. »Aber ich habe mir die Suppe selbst eingebrockt.«
    »Und was haben Sie sich erhofft?« wird Mutter nachgehakt haben.
    Er hat wahrscheinlich ein verlegenes Gesicht gemacht. »Ach, nichts. Das ist doch alles nur Spinnerei.« Er wird seine Sachen zusammengepackt haben, um nach Hause zu gehen. Und an der Tür, wo die Schatten sein Gesicht verbargen, sagte er vielleicht:
    »Cricket. Das war's. Ich bin ein Idiot, aber ich muß immer daran denken, wie es gewesen wäre, wenn ich hätte spielen können.«
    Um dem Kern noch ein bißchen näherzukommen, wird Mutter erwidert haben: »Aber Sie spielen doch, Ken.«
    »Nicht so, wie ich vielleicht hätte spielen können«, wird er. geantwortet haben. »Nicht so, wie ich es mir gewünscht habe. Das wissen wir ja beide, nicht wahr?«
    Und diese wenigen Worte, die Sehnsucht, die in ihnen steckte, vor allem aber das magische Wörtchen »wir«, lieferten Mutter die

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