Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
07 - Asche zu Asche

07 - Asche zu Asche

Titel: 07 - Asche zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Möglichkeit, die sie gesucht hatte. Um sein Leben zu verändern, um das Leben seiner Frau und seiner Kinder zu verändern, um ihr eigenes Leben zu verändern und uns alle in die Katastrophe zu stürzen.

8
    Gegen Mitte des Nachmittags setzte Lynley Barbara Havers vor dem New Scotland Yard ab. Sie blieben noch einen Moment auf dem Bürgersteig in der Nähe der Drehtür stehen und sprachen leise miteinander, als fürchteten sie, Miriam Whitelaw, die im Bentley wartete, könnte sie hören.
    Sie hatte ihnen erklärt, sie kenne den Aufenthaltsort ihrer Tochter nicht. Doch ein Anruf im Yard hatte das Problem gelöst. Während sie in Greater Springburn im Plough and Whistle ein spätes Mittagessen eingenommen hatten, hatte Constable Winston Nkata bei der Meldebehörde in London nachgefragt. Er hatte außerdem Akten gewälzt, geschuldete Gefälligkeiten eingefordert, mit acht Kollegen in acht verschiedenen Dienststellen und mit mehreren Constables der EDV-Abteilung telefoniert und sie alle gebeten, in ihren Archiven nach dem Namen Olivia Whitelaw zu suchen. Er meldete sich über Lynleys Autotelefon, als sie gerade über die Westminsterbrücke krochen. Eine Olivia Whitelaw, sagte er, lebe derzeit in Little Venice auf einem Hausboot in Browning's Pool.
    »Die Dame ist vor ein paar Jahren noch in der Gegend von Earl's Court anschaffen gegangen. Aber sie war zu raffiniert, um sich erwischen zu lassen, hat Inspector Favorworth gesagt. Wenn jemand von der Sitte aufkreuzte, wußte sie Bescheid, sobald sie ihn sah. Sie haben sie ein paarmal zu einem Schwatz eingeladen, aber sie konnten ihr nie was nachweisen.«
    Jetzt lebe sie mit einem Mann namens Christopher Faraday zusammen, berichtete Nkata. Gegen ihn lag nichts vor. Nicht einmal ein Verkehrsdelikt.
    Lynley wartete, bis Barbara sich ihre Zigarette angezündet und genießerisch zwei Lungen voll Rauch eingesogen hatte. Er sah auf seine Taschenuhr. Es war gleich drei. Sie würden bei Nkata vorbeigehen, sich ein Fahrzeug geben lassen und dann zu Flemings Familie hinausfahren. Die Zeit mitgerechnet, die die Abfassung ihres Berichts in Anspruch nehmen würde, würden sie mindestens zweieinhalb Stunden brauchen, vielleicht sogar drei, um alles zu erledigen. Der Tag zerrann ihnen unter den Fingern. Sie würden auch den Abend durcharbeiten müssen.
    »Versuchen wir, uns um halb sieben in meinem Büro zu treffen«, sagte er. »Oder früher, wenn Sie es schaffen.«
    »In Ordnung«, meinte Barbara. Sie zog ein letztes Mal gierig an ihrer Zigarette, ehe sie sich dem Yard zuwandte. Als sie durch die Drehtür verschwunden war, setzte sich Lynley in seinen Wagen und legte den Gang ein.
    »Ihre Tochter lebt in Little Venice, Mrs. Whitelaw«, erklärte er, als er den Bentley auf die Fahrbahn hinauslenkte.
    Sie erwiderte nichts. Seit sie das Pub verlassen hatten, in dem sie schweigend und angespannt ihr Mittagessen eingenommen hatten - das sie jedoch kaum angerührt hatte -, hatte sie keine Regung mehr gezeigt. Auch jetzt blieb sie wie erstarrt.
    »Sie sind ihr nie mehr begegnet? Sie haben nie versucht, sie ausfindig zu machen?«
    »Wir sind im Bösen auseinandergegangen«, erwiderte Miriam Whitelaw. »Ich hatte kein Interesse daran, sie zu finden. Ich bin überzeugt, es ist bei ihr nicht anders gewesen.«
    »Aber als ihr Vater starb -«
    »Inspector. Bitte! Ich weiß, Sie tun nur Ihre Pflicht ...«
    Das »aber« und der folgende Protest blieben unausgesprochen.
    Lynley warf einen raschen Blick in den Rückspiegel. Achtzehn Stunden waren vergangen, seit Miriam Whitelaw vom Tod Kenneth Flemings erfahren hatte. Sie sah aus, als sei sie seelisch gefoltert worden und zehn Jahre älter als an diesem Morgen, als Lynley sie abgeholt hatte. Ihr blasses, gequältes Gesicht schien um Gnade zu flehen.
    Lynley wußte, daß dieser Zeitpunkt, da ihre Widerstandskraft, ihre Entschlossenheit, seinen Fragen auszuweichen, von Sekunde zu Sekunde verfielen, ideal gewesen wäre, um ihr die gewünschten Antworten abzupressen. Jeder seiner Kollegen beim CID hätte das genauso gesehen wie er. Und die meisten von ihnen hätten ihren Vorteil wahrgenommen und die Frau mit Fragen bedrängt, bis sie die gesuchten Auskünfte hatten.
    Doch nach Lynleys Auffassung gab es bei der Vernehmung jener, die mit dem Mordopfer eng verbunden waren, einen Zeitpunkt, an dem sie bereit waren, alles zu sagen, nur um eine endlose Befragung zum Abschluß zu bringen.
    »Nicht weich werden, Jungchen«, pflegte Inspector MacPherson zu sagen.

Weitere Kostenlose Bücher