07 - komplett
hätte sie niemals auf einem Schmugglerboot um ihr Leben gebangt. Bisher hatte sie keine Gelegenheit gefunden, mit Tom über das alles zu reden, und allmählich gewann sie beinahe den Eindruck, sie wäre gar nicht auf der „Swift“ gewesen.
Doch dann verbannte sie diese Gedanken. Kamingitter mussten gesäubert, Feuer entzündet werden, denn sie brauchte kochendes Wasser für den Haferbrei.
Vorsichtig, um die Schwestern nicht zu stören, kroch sie unter der gemütlichen warmen Decke hervor und zitterte in der Kälte des Zimmers. So leise wie möglich zog sie die Fenstervorhänge auseinander und erhellte das Dunkel ein wenig.
Die Nacht begann zu verblassen, die Schwärze ging in Blau- und Grautöne über, sodass es gerade hell genug war, dass Francesca den Weg zu der Waschschüssel auf der Kommode in einer Ecke fand. Ohne Zögern durchbrach sie die dünne Eisschicht auf dem Wasser, schlüpfte aus ihrem Nachthemd und wusch sich fröstelnd. Dann trocknete sie ihren bebenden Körper hastig ab und zog sich an. Sie kämmte ihr Haar und schlang es zu einem Nackenknoten.
Einen Schal um die Schultern, eilte sie zur Treppe. Aus Toms Zimmer drangen tiefe, gleichmäßige Atemzüge.
Francesca stieg die Stufen hinab und begann ihr Tagewerk. Als die erste ihrer Schwestern in der Küche auftauchte, brannten Kerzen. Im Herd loderte ein Feuer, Wasser war erhitzt, der Haferbrei blubberte in einem Topf. Kaffeeduft wehte durch den Raum. Vor den Fenstern begann es allmählich zu dämmern.
„Guten Morgen, Francesca.“
„Guten Morgen, Anne.“
„Heute ist es kalt genug für den ersten Schnee.“
„Vielleicht werden wir doch noch weiße Weihnachten erleben“, meinte Francesca lächelnd.
„Darauf hoffe ich.“ Anne ergriff den Korb für das Brennholz und ging hinaus, um ihn mit den Scheiten zu füllen, die sich neben der Hintertür stapelten.
Nun rannte Sophy die Treppe herab, gefolgt von ihrer Mutter. „Heiliger Abend!
Heiliger Abend! Bald ist es so weit!“ Sie war das Nesthäkchen der Familie und wurde sehr verwöhnt – sofern das im Linden-Haushalt möglich war.
Schließlich nahmen alle am Küchentisch Platz und frühstückten, bevor sie die Arbeit erledigen würden, die an diesem Tag nötig war. Mrs Linden und Tom saßen sich am Kopf- und am Fußende gegenüber, die Mädchen dazwischen. Allmählich verscheuchte der heiße, nahrhafte Haferbrei die Kälte aus den Knochen. Diese Wärme brauchten sie, denn obwohl das Herdfeuer brannte, erfüllte immer noch nächtliche Kälte das kleine Cottage.
Mrs Linden nippte an ihrem Kaffee, das Gesicht trotz der Nachtruhe bleich und müde. Von einem Hustenanfall erfasst, stellte sie die Tasse ab. Das heisere Keuchen ließ Francesca zusammenzucken. Über den Tisch hinweg begegnete sie dem Blick ihres Bruders. Tom sorgte sich offensichtlich ebenso wie sie selbst.
Nachdem der Großteil der täglichen Pflichten bewältigt war, brachen Francesca, Tom, Lydia und Sophy zur Portlemouth-Fähre auf. Anne und die Mutter blieben daheim, saßen vor dem Feuer und lasen.
Während Francesca und Tom nebeneinander dahinwanderten, gingen Lydia und Sophy voller Ungeduld voraus – um möglichst schnell die Fähre zu erreichen, die sie zum Weihnachtsmarkt in Salcombe bringen würde.
„Schon die ganze Woche wollte ich mit dir allein sein, Tom.“ Francesca warf einen Blick auf die beiden Schwestern, die Arm in Arm die Straße entlangeilten. „Jetzt muss ich endlich mit dir über jene Ereignisse reden. Das dürfen die Mädchen nicht hören.“
„Weil sie sonst herausfinden würden, wo du in jener Nacht warst?“
„Wir haben vereinbart, dass niemand es wissen soll.“
„Beruhige dich, Fran, ich werde es sicher nicht in alle Welt hinausposaunen.
Möchtest du darüber sprechen?“
„Über dich, Tom. Und wieso du zusammen mit Lord Holberton an Bord der ‚Swift‘
gegangen bist.“
„Ich wusste, was ich tat.“
„Als Lord Holbertons Assistent? Hast du für ihn den Buckleys nachspioniert?
Unglaublich! Du hättest getötet werden können. Und zu welchem Zweck?“
„Ich half Seiner Lordschaft, einen Verräter zu entlarven und unsere Küste von den Buckleys zu befreien. Wenn diese Schurken nach Australien deportiert werden, können wir Einheimischen vielleicht endlich wieder für unseren Lebensunterhalt sorgen.“
„Trotzdem hättest du dieses Risiko niemals eingehen sollen. Hat Lord Holberton dich dazu veranlasst?“
„Er kam zu mir und erklärte, ich sei der beste Mann für diese
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