07 - Old Surehand I
auch.“
„Und wir behalten unsre Medizinen?“
„Ja.“
„So mag Senanda-khasi ( Kopperheadschlange ) herkommen, welcher der zweite Häuptling ist! Ihm werde ich den Befehl geben, und er wird ihn ausführen.“
„Gewiß?“
„Ja, er muß gehorchen.“
Ich ging wieder bis auf Sprachweite auf das Lager zu und rief zu den Roten hinüber:
„Der Häuptling Nale-Masiuv will, daß der Unterhäuptling Senanda-khasi zu ihm komme, aber ohne lange zu zögern!“
Ich ging zurück. Als wir sahen, daß der Genannte dem Ruf folgte und wirklich kam, sagte der Kommandant zu mir:
„Welche Macht habt Ihr über diese Menschen, Sir! Ich wäre nicht auf den Gedanken gekommen, die Medizin anzubrennen.“
„Das ist es eben, was ich Euch gesagt habe: Man muß die Gebräuche und Anschauungen der Roten kennen; dann ist man gegen vieles gewappnet, dem Nichtkenner wehrlos verfallen.“
Senanda-khasi ging, ohne uns anzusehen, zu dem Häuptling hin und setzte sich neben ihm nieder. Ihre Unterredung wurde leise geführt, doch war sie außerordentlich erregt; das sahen wir. Dann stand der Unterhäuptling auf, wendete sich an mich und sagte:
„Old Shatterhand hat uns alle für dieses Mal mit einem einzigen Schlag seiner Faust und dann durch seine List besiegt; aber es wird ein besserer Tag kommen, an welchem der große Manitou uns günstiger ist. Wir sind bereit, uns gefangenzugeben und Euch die Waffen auszuliefern. Wohin sollen wir sie legen?“
„Es mögen je zehn kommen und sie nebst aller Munition hier neben dem Häuptling niederlegen. Aber merke dir: Wer eine einzige Waffe verheimlicht, der wird erschossen!“
Er ging, und bald darauf kamen die Comanchen in einzelnen Gruppen zu zehn Personen, um Gewehre, Messer, Tomahawks, Pfeile, Bogen, Lanzen, Pulver und Kugeln mit finstern Mienen abzuliefern. Als dies geschehen war, sagte ich zum Kommandanten:
„Ich übergebe Euch die Gefangenen. Es ist nun Eure Sache, dafür zu sorgen, daß Ihr sie sicher habt. Laßt keinen entkommen!“
„Sorgt Euch nicht, Sir! Bin froh, daß ich sie habe. Werde sie zunächst in unsre Mitte nehmen und mit ihren eigenen Riemen binden.“
Während er dies durch seine Soldaten ausführen ließ, ging ich wieder eine Strecke vor, legte beide Hände als Schallrohr an den Mund und rief zu Old Surehand empor:
„ Sis inteh peniyil – die Apachen mögen kommen!“
Dieser Ruf wurde verstanden, und einige Minuten darauf kam er an ihrer Spitze im Galopp heruntergeritten. Ich ging ihm entgegen. Er sprang vom Pferd und fragte:
„Wir sahen, daß Euch der Häuptling erstechen wollte; Ihr habt es ihm aber gut gegeben. Was ist nun die Folge? Da liegen ja alle Waffen, und die Indsmen sind von den Dragonern eingeschlossen! Sie haben sich ergeben müssen?“
„Ja.“
„Wie habt Ihr das angefangen, Sir?“
„Ich drohte, die Medizin Nale-Masiuvs zu verbrennen.“
„Recht so! Dumme Kerls, so abergläubisch zu sein! Was werden wir aber mit ihnen anfangen? Es ist so unbequem, sie mitzuschleppen. Auch werden sie die Oase kennenlernen.“
„Nein. Der Kommandant ist auf den guten Gedanken gekommen, nicht mit uns zu reiten, sondern umzukehren. Dem habe ich sie übergeben. Er bekommt dafür ihre Pferde und ihre Waffen und läßt sie erst jenseits des Rio Pecos frei.“
„Well! Das ist das allerbeste, was geschehen kann. Wir reiten also ohne die Dragoner hinter Vupa Umugi her?“
„Ja.“
„Wann?“
„Wir haben hier nichts mehr zu tun. Unsre Pferde haben getrunken, und die Schläuche sind gefüllt. Wir können sogleich fort.“
„Da wollen wir uns auch nicht lange verweilen. Je eher wir den Naiini auf die Hacken kommen, desto besser ist's.“
„Ja. Wollen nur erst zärtlichen Abschied von dem lieben Kommandanten nehmen!“
Ich stieg auf das Pferd und ritt mit Old Surehand zu ihm hin.
„Wollt Ihr schon fort, Mesch'schurs?“ fragte er. „Es tut mir wirklich leid, daß wir nicht länger beieinander bleiben können!“
„Uns ebenso“, antwortete ich. „Wir hätten Euch gern noch länger Gelegenheit gegeben, so ‚dumme‘ Gräbersucher kennenzulernen.“
„Oh – ah –!“ dehnte er verlegen.
„Vielleicht wißt Ihr nun, welches Kleidungsstück mehr zu bedeuten hat, der Jagdrock eines Westmanns oder die Uniform eines Dragoneroffiziers. Nehmt das zu Herzen, und lebt wohl!“
„Lebt – – – wohl!“ echote er, noch verlegener als vorher.
Wir setzten uns an die Spitze unsrer Apachen und ritten fort. Schon nach wenigen Minuten
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