Mars 03 - Kriegsherr des Mars
1. Am Fluß Iss
Die beiden schnellen Monde des Mars rasten auf ihrem meteorischen Weg über den sterbenden Planeten dahin, und ich kroch geduldig in den Schatten des Forstes, der die karmesinfarbene Ebene an der Verlorenen See von Korus im Tal Dor begrenzt, hinter einer dunklen Gestalt her, die voll beharrlicher Vorsicht von einer düsteren Stelle zur anderen huschte.
Sechs Marsmonate lang spukte ich nun in der Nähe des gehaßten Tempels der Sonne umher, in dessen langsam sich drehendem Turm unter der Marsoberfläche meine geliebte Prinzessin eingeschlossen war. Ich wußte nicht einmal, ob sie schon tot war oder noch lebte.
Hatte Phaidors scharfer Dolch das zärtliche Herz durchbohrt? Nur die Zeit würde die Wahrheit enthüllen.
Sechshundertsiebenundachtzig Marstage mußten kommen und gehen, ehe sich die Zellentür wieder dem Tunnelende gegenüber befand, wo ich meine schöne Dejah Thoris zuletzt gesehen hatte.
Die Hälfte dieser Tage war verstrichen; mein Gedächtnis hatte jedes Ereignis von vor- oder nachher ausgelöscht, doch die letzte Szene hatte sich meiner Erinnerung unauslöschlich eingeprägt, jene Szene nämlich, ehe der Rauch meine Augen blendete und der schmale Spalt, der mir einen Blick in ihre Zelle gestattete, sich immer mehr schloß und eine undurchdringliche Wand mich von der Prinzessin von Helium für ein langes Marsjahr trennte.
Als sei es erst gestern gewesen, sah ich noch immer das schöne Gesicht von Phaidor, der Tochter von Matai Shang, von eifersüchtiger Wut und Haß verzerrt, als sie mit erhobenem Dolch auf die Frau eindrang, die ich von ganzem Herzen liebte.
Ich sah das rote Mädchen, Thuvia von Ptarth, herbeirennen, um die ruchlose Tat zu verhindern.
Dann hatte der Rauch des brennenden Tempels diese tragische Szene verhüllt, aber in meinen Ohren klang noch immer dieser einzige Schrei, als der Dolch herunterzuckte. Dann herrschte Stille. Als der Rauch sich wieder verzogen hatte, war die Kammer mit den drei schönen gefangenen Frauen schon ein Stück weitergerückt, und nicht das leiseste Geräusch vernahm ich mehr.
Seit diesem schrecklichen Augenblick war viel geschehen, aber nicht einmal für einen kurzen Moment war die Erinnerung daran verblaßt.
Die Neuerrichtung der Regierung der Erstgeborenen nach dem glorreichen Sieg unserer Flotte und Landstreitkräfte hatte mir viele Pflichten auferlegt, doch jede Minute, die ich hatte erübrigen können, verbrachte ich in der Nähe dieses Kerkers, in dem die Mutter meines Jungen, Carthoris von Helium, gefangen war.
Die Rasse der Schwarzen hatte seit unendlichen Zeiten Issus, die falsche Göttin des Mars, angebetet, und seit ich ihnen bewiesen hatte, daß sie nichts war als ein verschrobenes altes Weib, herrschte Chaos.
In ihrer Wut hatten sie Issus in Stücke zerrissen.
Vom hohen Turm ihrer Selbstbewunderung und Ichsucht waren die Erstgeborenen in die Abgründe tiefster Demütigung gestürzt worden.
Ihre Göttin war nicht mehr, und damit war das ganze Lügengebäude ihrer Religion zerstört. Ihre überhebliche Flotte war von den glorreichen Schiffen und Heeren der Roten Menschen von Helium vernichtet worden.
Die grünen Krieger von den ockerfarbenen Seegründen hatten ihre wilden Thoats durch die heiligen Gärten des Tempels der Issus gejagt, und Tars Tarkas, Jeddak von Thark, der wildeste von allen, regierte vom Thron der Issus aus die Erstgeborenen, während die Verbündeten über das Schicksal der besiegten Nation Beschlüsse faßten.
Nahezu einstimmig wurde die Forderung erhoben, ich solle den alten Thron der schwarzen Männer besteigen, und selbst die Erstgeborenen wären damit einverstanden gewesen, aber ich wollte nicht. Mein Herz konnte sich nie für jene erwärmen, die soviel Schmach auf meine Prinzessin und meinen Sohn gehäuft hatten.
Auf meinen Vorschlag hin wurde Xodar der Jeddak der Erstgeborenen.
Er war Dator, also ein Prinz gewesen, ehe Issus ihn degradiert hatte, und deshalb war seine Eignung für dieses hohe Amt unbestritten.
Nachdem auf diese Art der Frieden im Tal Dor sichergestellt war, kehrten die grünen Krieger zu ihren einsamen Seegründen zurück, während wir von Helium wieder in unser Land reisten. Auch hier wurde mir ein Thron angeboten, denn von Tardos Mors, dem Jeddak von Helium und Großvater von Dejah Thoris, war noch immer keine Nachricht eingetroffen, auch nicht von seinem Sohn Mors Kajak, Jed von Helium, Dejah Thoris‘ Vater.
Mehr als ein Jahr war vergangen, seit man die ganze nördliche
Weitere Kostenlose Bücher