07 - Old Surehand I
gelungen, den Feind in die vortreffliche Falle zu locken, und wir konnten ruhig abwarten, was er nun beginnen werde. Beginnen? Es gab nur eins für ihn, nämlich umzukehren, sobald er die Stelle erreichte, wo der Weg aufhörte und er nicht weiter konnte.
Wir warteten eine Stunde, zwei Stunden und noch länger; die Comanchen kamen noch nicht. Sie waren jedenfalls am Ende des Wegs nicht sogleich umgekehrt, sondern halten geblieben, um zu beraten; aber kommen mußten sie, darüber gab es gar keinen Zweifel. Wir hielten also unsre Blicke gespannt auf den Punkt gerichtet, wo sie erscheinen mußten.
„Uff!“ rief endlich Winnetou, indem er vorwärts deutete.
Sein scharfes Auge hatte die Nahenden eher entdeckt als wir; sie kamen, langsam, müde und enttäuscht. Noch sahen sie uns nicht, weil wir an der Erde saßen und unsre Pferde weit draußen in der Wüste hatten. Bald aber stockte der lange, schmale Zug; sie hatten uns entdeckt, und wir standen auf, um uns ihnen zu zeigen.
Waren sie der Meinung gewesen, daß sie die Dragoner hinter sich hätten, so erkannten sie jetzt, daß sie sich da geirrt hatten. Sie waren so nahe, daß sie bemerken mußten, daß sie keine Weißen, sondern Indianer vor sich hatten.
„Welch ein Schreck für sie!“ sagte Old Surehand, der neben mir stand.
„Schreck? Noch nicht“, antwortete ich.
„Aber gewiß!“
„Nein. Es ist noch kein Schreck, sondern erst nur Staunen.“
„Warum?“
„Sie können uns doch auch für die Comanchen Nale-Masiuvs halten.“
„Das ist freilich wahr.“
„Aber selbst wenn sie das tun, muß sie unsre Anwesenheit befremden, weil sie der festen Überzeugung gewesen sind, daß Nale-Masiuv die Dragoner hinter ihnen her getrieben bringe.“
„Richtig! Bin neugierig, was sie tun werden.“
„Was sie tun, das weiß ich. Sie werden einen oder einige Krieger vorwärts schicken, um zu erfahren, wer wir sind. Seht ihr, da kommen sie schon!“
Wir sahen, daß sich zwei von ihnen trennten und sich uns langsam näherten, nicht zu Pferd, sondern zu Fuß.
„Will mein Bruder mit mir ihnen entgegengehen?“ fragte ich Winnetou.
„Ja, tun wir das“, antwortete er.
Wir schritten ebenso langsam, wie die Comanchen kamen, in den Kaktus hinein, ihnen entgegen. Sie sahen, daß wir ein Roter und ein Weißer waren; das machte sie stutzig; sie blieben stehen. Wir winkten ihnen, zu kommen, und gingen weiter; da kamen sie zögernd näher, blieben aber bald wieder stehen.
„Mein Bruder Shatterhand mag sprechen!“ sagte Winnetou.
Er überließ es mir bei solchen Gelegenheiten gewöhnlich, das Wort zu führen. Ich rief den beiden Naiini zu:
„Die Krieger der Comanchen mögen getrost näher kommen! Wir wollen mit ihnen sprechen, und es wird ihnen nichts geschehen, wenn sie nicht versuchen, ihre Waffen gegen uns zu brauchen.“
Da kamen sie. Ich hatte sie gerufen, weil ich nicht bis hin zu ihnen gehen wollte, denn da wären wir in die Schußweite der Comanchen geraten, und das mußten wir vermeiden. Wir trafen ungefähr auf halbem Weg mit ihnen zusammen, doch kamen sie nicht ganz zu uns heran.
„Vupa Umugi, der Häuptling der Naiini-Comanchen, hat euch abgeschickt, zu erfahren, wer wir sind“, sagte ich. „Kennt ihr mich?“
„Nein“, antwortete der ältere von ihnen, während beide ihre Augen mit scheuer Ehrfurcht auf Winnetou gerichtet hielten.
„Auch den roten Krieger nicht, der da neben mir steht?“
„Uff! Das ist Winnetou, der Häuptling der Apachen!“
„Und ich bin Old Shatterhand, sein weißer Freund und Bruder.“
„Uff, uff!“ riefen beide aus und betrachteten nun auch mich genau. Hatte sie schon der Anblick des Apachen bestürzt gemacht, so wuchs diese Bestürzung, als sie meinen Namen hörten; doch bemühten sie sich, dies zu verbergen.
„Ihr glaubtet, die weißen Reiter hinter euch zu haben?“ fuhr ich fort.
Ich erhielt keine Antwort.
„Und hinter diesen sollte Nale-Masiuv kommen?“
„Woher weiß das Old Shatterhand?“ fragte der ältere.
„Ich weiß noch mehr; ja, ich weiß alles. Ihr wolltet die weißen Reiter in das Verderben locken, und befindet euch nun selbst darin. Blickt vorwärts! Dort stehen dreihundert Krieger des Mescalero-Apachen, die ihre Gewehre bereit haben, euch bis auf den letzten Mann niederzuschießen, wenn ihr euch wehrt.“
„Uff, uff!“
„Ihr könnt auf keinen Fall zurück und hier durch. Ihr müßt euch uns ergeben. Wenn ihr das nicht tut, werdet ihr entweder erschossen oder müßt in dieser
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