07 - Old Surehand I
gekommen waren, mußte ja ganz gegen seine Erwartungen gewesen sein, dennoch hatte er mich gestern nicht gefragt. Ein andrer hätte nicht eher geruht, als bis er von mir darüber aufgeklärt worden wäre; er aber hatte nicht eine einzige Frage ausgesprochen und mit seinem unvergleichlichen Scharfsinn alles erraten, wie seine jetzigen Worte bewiesen. Diese gaben mir Gelegenheit, ihm jetzt zu erzählen, in welcher Weise uns Nale-Masiuv in die Hände geraten war und wie wir uns seiner dann entledigt hatten. Am Schluß meines Berichts ließ er ein befriedigtes „Uff!“ hören und fügte dann hinzu:
„Mein Bruder hat ganz richtig gehandelt. Alle diese Roten wären uns eine Last gewesen, schon des Wassers wegen, und die weißen Reiter auch, die wir gar nicht brauchen, um Vupa Umugi zu fangen. Nale-Masiuv ist durch den Verlust seiner Pferde genug bestraft und hat auch die Gewehre seiner Krieger verloren. Winnetou wird erfahren, ob der Kommandant sein Wort hält, ihnen das Leben zu lassen; hat er es gebrochen oder sich auch nur an einen oder einigen von ihnen vergriffen, so wird er es mir mit dem Leben bezahlen. Howgh!“
Damit war diese Angelegenheit vollständig erledigt, und auch über seine letztere Drohung brauchte ich kein Wort zu verlieren; es war ihm Ernst damit, und er führte sie sicher aus, wenn es sich später zeigte, daß der Kommandant sein Versprechen nicht gehalten hatte.
Die Entfernung bis zum Kaktusfeld, welches die Comanchenfalle werden sollte, war von Winnetou auf zwei Stunden abgeschätzt worden; wir brauchten aber drei, weil die Naiini wegen der Mattigkeit der Pferde so langsam ritten. Wir blieben immer in der Weise hinter ihnen, daß sie uns nicht bemerken, wir sie aber durch unsre Rohre sehen konnten. Sie bildeten nicht eine Einzelreihe, sondern ritten breit neben- und hintereinander her. Nach der erwähnten Dauer von drei Stunden verringerte sich plötzlich diese Breite; sie rückten zusammen und begannen, eine schmale Linie zu bilden.
„Ah, der entscheidende Augenblick ist da!“ sagte ich zu Winnetou. „Sie halten nicht an; sie scheinen also keinen Verdacht zu fassen.“
„Ja“, nickte er; „sie sind an der schmalen Öffnung angekommen, die in den Kaktus führt. Sie können dieses Feld nicht überblicken und denken, daß es keine große Breite haben werde, weil Schiba-bigk scheinbar hindurchgeritten ist. Außer diesem Vertrauen treibt sie auch der Durst hinein. Wo Kaktus wächst, gibt es Feuchtigkeit, sie werden glauben, hinter demselben die Oase zu finden, denn sie wissen nicht, daß die Feuchtigkeit, welche diese Pflanzen hervorgebracht hat, nur unterirdisch und eine sehr geringe ist.“
Nach kurzer Zeit sahen auch wir den Kaktus, der in tausend und abertausend Exemplaren eine Strecke bedeckte, deren Ende weder nach vorn noch nach rechts oder links abzusehen war. Ein schmaler, lichter Streifen führte hinein und bildete eine Art Weg, dessen Boden so absolut unfruchtbar sein mußte, daß nicht ein einziges Würzelchen die nötige Nahrung fand. Und grad da, wo dieser Weg begann, hatte Winnetou eine Stange in den Boden stecken lassen, um den Comanchen die Überzeugung zu geben, daß sie hier in den Kaktus einzudringen hätten.
Das hatten sie auch wirklich ohne alles Bedenken getan, und sie waren schon so weit drin, daß wir sie in der Ferne verschwinden sahen, als wir an dem Rand des stacheligen Dickichts ankamen. Da blieben wir natürlich halten und stiegen ab. Die Pferde wurden außer Schußweite hinter uns angepflockt, um im Fall eines allerdings kaum zu erwartenden Widerstands nicht verletzt zu werden, und wir nahmen eine Aufstellung, die den Weg von seiner Mündung an bis weit hinein vollständig beherrschte und von den Comanchen bei ihrer Rückkehr nicht zu durchdringen war.
Dieser Weg hatte anfangs eine Breite von vielleicht zwanzig Schritten, wurde aber schon im Bereich unsrer Kugeln so schmal, daß höchstens vier oder fünf Reiter eng nebeneinander Platz hatten. Das gab, wenn die Comanchen auf den wahnsinnigen Gedanken kommen sollten, uns anzugreifen, eine Tiefe von wenigstens dreißig und eine Breite von höchstens fünf Mann, und es genügte der sechste oder fünfte Teil von uns vollständig, diesen Angriff abzuschlagen. Unsre Kugeln brauchten ja nur die Vordersten niederzustrecken, die dann einen Wall bildeten, über den die andern nicht kommen konnten, zumal es ihnen wegen des Kaktus auch unmöglich war, nach rechts oder links auszuweichen.
So war es uns denn endlich
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