07 - Old Surehand I
gerichtet, dessen sympathisches Gesicht einen tief melancholischen Ausdruck zeigte, als ob er an einem innerlich zurückgedrängten Gram leide. Jos ist die Abkürzung von Josua; der Mann hieß, wie ich später erfuhr, Josua Hawley.
„Bin ganz derselben Meinung“, antwortete er. „Es fehlte grad noch, gezwungen zu sein, für diese Uniformen die Kastanien aus dem Feuer zu holen und sich die Vorderpranken dabei zu verbrennen. Hätten sie doch Old Wabble festgehalten; der war der richtige Mann dazu. Mich bekommen sie nicht. Will froh sein, wenn ich hier fort bin und den Mistake-Cañon im Rücken habe.“
„Warum? Fürchtest du dich vor dem Geist des erschossenen Indianers?“
„Fürchten? Nein; aber aus dem Sinn kommt er mir nicht. Dieser Cañon ist eine ganz infame Gegend für mich. Habe dort etwas erlebt, was nicht jeder erlebt, und dabei Gold gefunden.“
„Gold? Im Mistake-Cañon?“
„Yes.“
„Unmöglich! Dort gibt es keins.“
„Es muß doch welches dort gegeben haben, weil wir es gefunden haben.“
„Also wirklich? Ihr habt es wohl durch einen Zufall entdeckt, alter Jos?“
„Nein. Ein Indianer hat es uns gezeigt.“
„Das ist ja gar nicht zu glauben. Ein Roter entdeckt so etwas niemals einem Weißen, selbst wenn es sein bester Freund wäre.“
„So ist mein Fall eine Ausnahme gewesen. Es war sogar ganz und genau derselbe Rote, der dort aus Versehen erschossen worden ist. Vielleicht erzähle ich Euch die Geschichte, wenn wir den Cañon morgen zu sehen bekommen. Jetzt habe ich keine Lust dazu; wollen darüber schweigen. Gib das Fleisch her; ich will essen. Es ist zwar nur Antilope, aber es muß dennoch schmecken. Ein Stück Büffelhöcker oder Lende vom Elk (Elentier) wäre mir lieber.“
„Elk? Ah, Elk, das ist richtig!“ rief Parker aus, indem er mit der Zunge schnalzte. „Das ist der feinste und saftigste Braten, den es geben kann. Wenn ich an Elk denke, fällt mir immer der Westmann ein, der mich eigentlich zum Jäger gemacht hat.“
„Wer ist das gewesen?“
„Sein Name wurde vorhin genannt. Old Wabble meine ich.“
„Was? Wie? Old Wabble? Den ebenso sonderbaren wie berühmten Alten? So hast du ihn gekannt?“
„Ob ich ihn gekannt habe? Welch eine Frage! Unter seiner Leitung habe ich mein erstes Abenteuer im fernen Westen erlebt, ein Abenteuer, welches – na, ich will es euch erzählen, obgleich ihr mich dann tüchtig auslachen werdet. Es handelte sich nämlich dabei um meinen ersten Elk.“
Er räusperte sich bedächtig, machte ein sehr verheißungsvolles Gesicht, und begann dann folgendermaßen:
„Er hieß eigentlich Fred Cutter, wurde aber wegen seines wackelnden Gangs und weil ihm der Anzug so schlotterig am dürren Leib hing, stets nur Old Wabble genannt. Er war früher da unten in Texas Cowboy gewesen und hatte sich so an die dortige Kleidung gewöhnt, daß ihn selbst hier oben im Norden niemand dazu bringen konnte, sie abzulegen und mit einer andern zu vertauschen.
Noch sehe ich ihn vor mir stehen, lang und überschmal, die Füße in ganz unbeschreiblichen Schuffles und die Beine in uralten Leggins steckend. Über dem Hemd, dessen Farbe ich lieber gar nicht erwähne, hing eine Jacke, deren einziger Vorzug eine allgemeine Offenherzigkeit war. Brust und Hals blieben unbedeckt; dafür aber trug er unter dem zerknüllten Hut stets ein um die Stirn gewundenes Tuch, dessen Zipfel auf die Schulter niederhingen, im Gürtel das lange Bowiemesser, an den Ohrläppchen schwere Silberringe und in der großen, braunen, knochigen Hand die stets glimmende, unvermeidliche Zigarette – anders hat ihn wohl selten ein Mensch gesehen.
Das Kostbarste war sein altes, wetterhartes, faltenreiches und stets glattrasiertes Gesicht mit starken Niggerlippen, langer, spitzer Nase und scharfen grauen Augen, denen, obgleich die Lider stets halb geschlossen waren, nicht so leicht etwas entgehen konnte. Mochte dieses Gesicht ruhen oder in Bewegung sein, es hatte immer und immer den Ausdruck einer Überlegenheit, welche absolut durch nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen war. Und diese Superiorität bestand zu vollem Recht, denn Old Wabble war trotz seiner Schlotterigkeit nicht nur ein Meister im Reiten, im Gebrauch der Rifle und des Lariat, sondern es entging ihm auch nicht eine der andern Eigenschaften, welche ein richtiger Westmann besitzen muß. ‚Th'is clear‘, das war seine ständige Redensart, welche bewies, daß ihm oft das Schwierigste als leicht und ganz selbstverständlich
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