07 - Old Surehand I
entschwunden war, das Englische lernte er nicht schneller als jedes andre Kind, das Deutsche aber wurde ihm so außerordentlich leicht, daß man unbedingt annehmen mußte, er habe es schon früher gesprochen.
Fragt man, was es mit den ‚Stakemen‘ oder den ‚Geiern des Llano estacado‘ für eine Bewandtnis habe, so ist die Antwort folgende: Es wurde bereits gesagt, daß die sogenannten Wege, welche durch die Wüste führen, von da an, wo die natürlichen Merkmale aufhören, mit Pfählen bezeichnet zu werden pflegen. Neben den ehrlichen Menschen, welche diese Wege benutzen, gibt es noch andre Leute, die moralisch bankrott gemacht haben und die Arbeit hassen, heruntergekommene Subjekte, welche den bewohnten Osten fliehen mußten, weil sie sich fürchteten, mit dem Strafrichter in Berührung zu kommen, gewissenlose Schurken, die nichts mehr zu verlieren haben und, weil ihr eigenes Leben keinen Wert besitzt, auch das andrer Menschen für nichts achten. Sie leben von nichts als nur vom Raub, und dazu bietet ihnen der Llano, wenn nicht das ergiebigste, so doch das verschwiegenste Terrain. Sie haben ihre Schlupfwinkel am Rand der Wüste und lauern in der Nähe der Wege auf Reisende, welche durch den Llano wollen. Diesen schließen sie sich entweder als bloße Begleiter oder als Führer an und schicken ihre Verbündeten voraus, um die Pfähle zu entfernen und in falscher Richtung wieder einstecken zu lassen; daher der Ausdruck Stakemen (Pfahlmänner). Wer dann diesen Pfählen folgt, wird vom richtigen Weg ab und in das sichere Verderben geführt; er stirbt den elenden Tod des Verschmachtens, wenn er nicht vorher schon ermordet wird, und sein Eigentum fällt den menschlichen oder vielmehr entmenschten ‚Geiern des Llano‘ anheim. So kommt es, daß die Gebeine von Hunderten und Aberhunderten in der tiefsten Einsamkeit im Sonnenbrand bleichen und niemand weiß, wohin diese Unglücklichen gekommen sind.
Einer Bande solcher Stakemen war auch die Karawane, zu welcher Bloody-Fox gehört hatte, zum Opfer gefallen. Die entsetzliche Szene des Ermordens war ihm im Gedächtnis geblieben; daher der heiße Wunsch in ihm, diese Geier bis auf den letzten auszurotten, und so kühn und schwer diese Aufgabe war, er besaß alle zu ihrer Ausführung nötigen Eigenschaften.
Er durchkreuzte den Llano nach und nach in allen Richtungen; er lernte jeden Schrittbreit der Wüste kennen; er wurde mit allen ihren Gefahren vertraut und hatte, was die Aufgabe seines Vorhabens unendlich erleichterte, das Glück, tief im Innern der Einöde eine grünende Oase mit Wasser zu entdecken. Das war so viel und noch mehr wert, als ob er hundert Verbündete gewonnen hätte.
Diesen Ort hielt er geheim. Kein Mensch, selbst Helmers nicht, obgleich er diesem das Leben verdankte, erfuhr etwas davon. Er baute sich im Lauf der Zeit ein Häuschen an das Wasser und bepflanzte die Wände desselben mit dicht wuchernden Passionsblumen. Er fing wilde Mustangs und brachte sie heimlich hin, um stets frische Pferde zu haben, wenn eins müde geritten war. Das gab seinen Bewegungen eine Schnelligkeit, die er sonst nicht hätte entwickeln können; es war ihm dadurch ermöglicht, jetzt an der einen und bald darauf an der entgegengesetzten Grenze des Llano zu sein. Er schaffte Proviant und Munition nach dem Häuschen. Aber um diese Oase und die dort befindlichen Pferde während seiner Abwesenheit zu pflegen, brauchte er eine Person, der er sein Vertrauen schenken, von der er annehmen konnte, daß sie sein Geheimnis nicht verraten werde. Es gab eine alte Negerin namens Sanna, die ihn sehr liebte und auf seinen Vorschlag einging. Sie wohnte eine ganze Reihe von Jahren in dieser tiefen Einsamkeit, ohne sich von dem Häuschen fortzusehnen, und wurde für diese Treue auf eine Weise belohnt, die über ihre alten Tage den hellsten Sonnenschein ergoß. Sie war nämlich in Tennessee Sklavin eines Pflanzers gewesen, der ihr einziges Kind, einen Knaben, von ihr gerissen und verkauft hatte. Auch sie war später verschachert und durch verschiedene Schicksale bis an die Staked-Plains verschlagen worden; nie hatte sie ihren Sohn, ihren Bob, vergessen können; er war ihr Gedanke bei Tag und bei Nacht, und sie schwor darauf, daß sie nicht sterben werde, ohne ihn wieder gesehen zu haben. Da kamen wir an den Llano und lernten Bloody-Fox kennen. Bei uns befand sich ein Westmann, dessen unzertrennlicher Begleiter ein Neger, sein früherer Diener, war. Der Schwarze hieß Bob, und es stellte sich zu
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