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07 Von fremder Hand

07 Von fremder Hand

Titel: 07 Von fremder Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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»Normalerweise gehe ich so spätabends nicht mehr spazieren. Aber ich hatte gemalt, und ich brauchte die frische Luft.«
      »Ein Zufall?«
      »Wahrscheinlich. Aber -« Fiona starrte ihn an, doch dann schien sie das Thema wechseln zu wollen. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Sie stand auf und ging voraus in den hinteren Teil des Hauses.
      Verblüfft folgte Jack ihr durch den offenen Wohnbereich in einen Flur, wo sie eine Tür öffnete und in ein Atelier mit gläsernen Wänden trat.
      Hinter den Glasscheiben fiel das Gelände steil ab, sodass das Zimmer frei über der Talsenke zu schweben schien. Die weidenden Schafe zeichneten sich als weiße Flöckchen vor dem Hintergrund des Grases ab, wie Wolken an einem smaragdfarbenen Himmel auf einem Kindergemälde. An den Wänden lehnten Gemälde, sorgfältig hintereinander aufgestellt, jedoch stets mit der Rückseite zum Betrachter gedreht, ebenso wie das Bild auf der Staffelei. »Wollen Sie nicht, dass man Ihre Bilder sieht?«
      »Ich brauche sie nicht zu sehen«, antwortete Fiona schroff.
      »Aber dies hier... dieses hier war anders.« Sie drehte das Gemälde auf der Staffelei um.
      Jack spürte, wie sein Mund plötzlich trocken wurde. Er hatte die Bilder in Zeitschriften gesehen, und gelegentlich auch im Fenster einer Galerie in Glastonbury, doch jetzt, da er einem von ihnen so direkt gegenüberstand, überwältigte es ihn mit seiner machtvollen Ausstrahlung. »Das sind doch...«
      »Sagen Sie jetzt nicht das Wort mit >F<«, warf Fiona ein, als er stockte.
      »Das Wort mit >F      »Feen.« Sie blickte finster drein. »Wie Tinker Bell aus Peter Pan. Viktorianischer Kitsch. Alberne, wuschelige Dinger.«
      Jack schüttelte den Kopf. »Nein. Sie... Ich wollte sagen, sie machen mir Angst. Sie erinnern mich an Blakes Visionen. Wunderschön. Und furchtbar.«
      »Genau.« Fiona sah ihm in die Augen. »Aber dieses hier - seltsam, aber in den einundzwanzig Jahren, die ich schon in Glastonbury lebe, habe ich noch nie die Abtei gemalt. Warum sollte ich sie also jetzt malen, ausgerechnet an diesem Abend?«
      Die Kreaturen, von denen einige Flügel hatten, andere wiederum nicht, drängten sich mit ihren ernsthaften, geschlechtslosen Gesichtern um die vertraute Silhouette der großen Kirchenruine, ihre Hände zu flehenden Gesten erhoben. Hinter ihnen reflektierte die unregelmäßig gesprenkelte Fläche des Himmels die untergehende Sonne, durchbrochen vom dunklen Umriss des Tor.
      Fiona wandte sich wieder der Leinwand zu. »Und da war noch etwas anderes. Sie haben für mich gesungen. Ich kann es nicht beschreiben. Es war -« Sie zuckte mit den Achseln. »Es war das Schönste, was ich je gehört habe, und doch zugleich das Traurigste. Ich würde alles darum geben, wenn ich es wiedergeben oder wieder erschaffen könnte, und sei es nur in meinem Kopf - aber ich kann es nicht. Diese Gabe besitze ich nicht.« Aus ihrer Stimme klang tiefes Bedauern.
      Jack sagte langsam: »Hat Winnie jemals mit Ihnen über unsere Treffen gesprochen und über das, was wir dort tun?«
      »Über das automatische Schreiben? Ein wenig schon.«
      »Kam Ihnen das nicht merkwürdig vor?«
      Fiona lächelte. »Was bedeutet für mich schon >merkwürdig      »Wohl nicht. Wir hatten die ganze Zeit vermutet, dass Edmund aus einem bestimmten Grund mit mir Kontakt aufgenommen hat, aber jetzt glauben wir, dass es etwas mit dem heiligen Choral zu tun haben könnte, der nach der normannischen Eroberung aus der Abtei verbannt wurde.« Er deutete auf ihr Bild. »Es scheint mehr als nur ein Zufall, dass Sie so etwas hier malen und solche Gesänge hören, und das an einem Abend, an dem Winnie Sie überraschend aufsuchen wollte.«
      »Wenn sie mich nur vorher angerufen hätte...«
      »Wissen Sie von irgendeiner Sache, die sie beschäftigt haben könnte?«
      Fiona runzelte die Stirn und fuhr mit dem Finger über den Rand ihres Bildes. »Ich weiß, dass ihr Andrews Verhalten großen Kummer bereitet hat. Ich nehme an, ein Bruch war wohl unvermeidlich, nachdem Winnie eine so enge Bindung mit einem anderen Menschen eingegangen war - Andrew hatte sich schon zu viele Jahre lang allzu blindlings darauf verlassen, dass sie immer für ihn da sein

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